(Berg)landwirtschaft und Nachhaltigkeit

Landwirtschaft kommt in der Klimawandel-Debatte meist nur auf der Seite der Verursacher vor. Doch damit ist konventionelle, intensive Landwirtschaft gemeint, deren Beitrag zum Klimawandel  auch nicht zu leugnen ist. Die Landwirtschaft stellt als Lebensmittelproduzent aber auch unsere Ernährungssouveränität durch regionale Produkte sicher und spielt eine essentielle Rolle im Umgang mit den Klimawandelfolgen sowie im Gegensteuern zum Artensterben. Dass Landwirtschaft also nicht gleich Landwirtschaft ist, wird besonders in Österreich sehr deutlich. Ob industrielle, intensive oder extensive Landwirtschaft, Bio- oder Berglandwirtschaft – die Art und Weise, wie unsere Lebensmittel angebaut werden, hängen von der Landschaft ab, genauso wie deren Anbauart auch die Landschaft prägt. 

Voraussetzungen für die Landwirtschaft

Wie Landwirtschaft betrieben werden kann, hängt in erster Linie von den topographischen Gegebenheiten ab. So herrschen im Norden und Osten von Österreich andere topographische – es ist meist eher flach – sowie klimatische Bedingungen vor als im Westen. Dort prägen die Alpen die Topographie – flacher und somit effizient bewirtschaftbarer Boden ist nur in den Tallagen vorhanden. Die Vegetationsperiode ist in den alpinen Landesteilen aufgrund der Höhenlage und der längeren Winter ebenso oft kürzer. Selbstverständlich prägen auch die klimatischen Bedingungen, die Wasserverfügbarkeit und die Bodenbedingungen und -fruchtbarkeit die Landwirtschaft. Nichtsdestotrotz bleibt die Topographie – also ob es flach, hügelig oder sogar steil ist – eine der prägendsten Voraussetzungen für die Landwirtschaft.

Die Topographie ist nämlich entscheidend dafür, wie das verfügbare Land bewirtschaftet werden kann bzw. wurde: Welche Geräte können eingesetzt werden, welche Pflanzen stehen zur Futtergewinnung zur Verfügung, welche Nutztiere können mit den Bedingungen besonders gut umgehen und wie ist der damit verbundene Arbeitsaufwand? Diese Fragen werden im Flachland anders beantwortet als in den Bergen.

Aufgrund dieser Voraussetzungen ist im Flachland –  dazu zählen auch Talböden – generell eine intensivere Landwirtschaft möglich als in den Bergen. Im Flachland sind die Felder durchschnittlich größer und einheitlicher und lassen sich folglich einfacher und effizienter mit größeren Maschinen bewirtschaften. Abwechslungsreicheres Terrain fordert vielseitigere Landwirtschaft und daran angepasste Bewirtschaftungsformen. 

Schafe auf einer Alm in Tirol – © Thomas Obermair

So werden etwa in den alpinen Landesteilen im Sommer Weidetiere auf höher liegende Weiden (Almen) getrieben, während in der Zwischenzeit auf den Talweiden Futter für den Winter – in Form von Heu oder Silage – gemäht wird. Die Almen sind somit eine Erweiterung der Weideflächen und es kann somit mehr Futter für die Tiere gewonnen werden. Die Almflächen werden je nach Schneelage nur für einige Wochen im Sommer beweidet. Obwohl die Vegetationsperiode in den Höhenlagen, in denen sich die Almen meist befinden, meist schon deutlich verkürzt ist, haben die Pflanzen sowie der Boden noch Zeit, sich von der Beweidung zu erholen. Die hohe Qualität des Almfutters durch die vielen verschiedenen Gräser, Blumen und Kräuter, die dort wachsen, ist für die Weidetiere von hohem gesundheitlichen Wert. Diese Qualität wird an deren Milch und Fleisch weitergegeben. Die Weidetiere halten durch das Abgrasen der Almflächen diese auch offen und somit die Verbuschung und Wiederbewaldung dieser Flächen zurück. Standortangepasst beweidete Almen weisen im Vergleich zu unbeweideten und wiederbewaldeten Almen meist eine höhere Artenvielfalt auf, da dort viele konkurrenzarme Pflanzen vorkommen.

Auch der touristische Wert von Almflächen ist in Österreich ein sehr großer. Die typische Almidylle mit Bergkulisse im Hintergrund – also die bäuerlich geprägte Kulturlandschaft – ist das touristische Aushängeschild des Landes und somit nimmt die Aufrechterhaltung der Almwirtschaft nicht nur landwirtschaftlich, sondern auch gesamtwirtschaftlich einen bedeutenden Wert ein. Insbesondere als zusätzliche Einnahmequelle zur landwirtschaftlichen Almnutzung hat der Alm-Tourismus eine sehr große Bedeutung. 

Dass Weidetiere aber durchaus negative Spuren auf den Almen hinterlassen, darf ebenso nicht vernachlässigt werden. Alle kennen die auffälligen Sauerampfer-Flächen die sich mit Vorliebe rund um die Almhütten oder Tränken – Plätze wo sich die Weidetiere sammeln und drängen – finden. Solche Flächen zeugen von einem Nährstoffüberfluss durch die Ausscheidungen der Weidetiere. Auch Erosionsspuren und Viehgangeln sind auf vielen Almen normale Erscheinungen. Diese Auswirkungen sind mancherorts Folgeerscheinungen eines zu hohen Viehbestands, können aber nicht pauschal auf Überweidung zurückgeführt werden. Es wird hier keine Wertigkeit für Nutzen und Preis der Almwirtschaft abgegeben.

Bergmähder als zurückgehende Artenvielfalt-Paradiese

Hänge, die für die Beweidung schlechter geeignet sind, wurden in der Vergangenheit und teilweise auch noch heute per Hand gemäht, um zusätzliches Futter für die Tiere zu erhalten. Solche Bergmähder wurden bzw. werden oftmals nur einmal im Jahr oder auch nur alle zwei Jahre gemäht (halbschürige Nutzung), sind jedoch kleine Paradiese für die Artenvielfalt. Bergmähder werden generell nach dem Abblühen der Gräser, Kräuter und Blumen gemäht, somit können diese ihre Samen ausbringen, bevor sie abgeschnitten werden. Die seltene, aber regelmäßige Mahd verändert auch die Konkurrenzverhältnisse in der Wiese und drängt konkurrenzstarke Pflanzen zurück. Das ist nicht nur für die pflanzliche Artenvielfalt wichtig, sondern auch für die tierische. Manche Insekten oder Raupen sind auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen. In Flächen, wo diese Pflanzen ungestört so lange wachsen können, bis sie ihre Samen ausbringen, kommen auch solche Insekten vor, die derartige Bedingungen benötigen. Auch andere Wildtiere, etwa Rehe, erfreuen sich am abwechslungsreichen Nahrungsangebot der Bergmähder – dadurch kann der Nahrungsdruck und somit der Verbiss an angrenzende Wälder verringert werden (Blühendes Österreich).

Durch die hohe Hangneigung solcher Wiesen werden diese meist per Hand mit der Sense oder einem Motormäher gemäht. Dadurch wird auch der Boden wesentlich weniger belastet als bei einer mit einem schweren Traktor und großen Mähwerken gemähten Wiesen im Flachland. Bergmähder werden in der Regel auch nicht gedüngt, der Ertrag fällt folglich geringer aus. Die Heuqualität ist jedoch wesentlich höher, wovon das Tier und letztlich auch der Mensch profitiert.

Viele der dort vorkommenden Arten kommen mit sehr wenig Nährstoffen aus und sind an solche kargen Bedingungen angepasst. Werden durch Düngung zusätzliche Nährstoffe eingebracht, verschwinden viele dieser Pflanzen, da sie ihren Konkurrenzvorteil verlieren und von einigen wenigen an solch ein nährstoffreiches Milieu angepassten Pflanzen verdrängt werden.

Nährstoffarme Wiesen werden unter dem Begriff Magerwiesen zusammengefasst. Diese werden meist nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht und nicht oder nur sehr spärlich gedüngt – der Ertrag ist in diesen Wiesen nicht besonders hoch, die Qualität des Futters ist aufgrund der hohen Artenvielfalt jedoch sehr gut. Wiesen, die regelmäßig gedüngt werden, nennt man Fettwiesen. Aufgrund des hohen Nährstoffgehaltes können diese Wiesen auch öfter gemäht werden – je nach Lage und klimatischen Bedingungen bis zu fünfmal pro Vegetationsperiode. Der Ertrag in solchen Wiesen ist folglich wesentlich höher als in Magerwiesen, die Qualität des Futters jedoch dementsprechend geringer. Magerwiesen gibt es selbstverständlich auch im Flachland, besonders oft kommen diese jedoch in aufwendig zu bewirtschaftenden Lagen vor. 

Strukturwandel in der Landwirtschaft

Aufgrund der mit der Bewirtschaftung solcher Bergmähder verbundenen Mühe und dem wenigen gewonnenen Ertrag, werden solche Flächen zunehmend aufgegeben. Dies passiert auch auf vielen Almen, da auch der Almauftrieb von Weidetieren mit sehr viel Aufwand verbunden ist, zudem oftmals wirtschaftlich für viele landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr rentabel ist. Die Wiesen und Almflächen wachsen dann zu, verkrauten und verholzen – d.h. konkurrenzstarke Pflanzen verdrängen typische Arten der Bergmähder und Almen, Gehölze nehmen zu und mit der Zeit können je nach Höhenlage auch Bäume wieder Fuß fassen, da ihre Triebe von den Weidetieren nicht mehr abgefressen werden bzw. durch bestimmte Maßnahmen der Bewirtschafter:innen entfernt werden. Bergmähder gehören aufgrund ihrer hohen Artenvielfalt und ihrer wirtschaftlichen Unrentabilität zu den gefährdeten Lebensräumen in Mitteleuropa. 

Almen werden auch gerne touristisch in Wert gesetzt. Hier ist eine Almlandschaft in Wolkenstein, Südtirol zu sehen. – © Melina Kiefer via Unsplash 

Dass sich die Landwirtschaft in Österreich – sowie in ganz Europa und der Welt – in den letzten Jahrzehnten im Wandel befindet, liegt jedoch nicht nur am Klimawandel und seinen Folgen. Dieser führt zwar zunehmend zu sich verändernden Witterungsbedingungen, vermehrt auftretenden Dürreperioden und Starkniederschlägen, doch plagen die Landwirtschaft auch soziale Veränderungen und sich verändernde Förderstrukturen. So hat die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten seit 1995 deutlich abgenommen, vor allem jene der Familienarbeitskräfte, geht laut Statistik Austria stetig zurück, gleichzeitig gilt es, immer mehr Menschen zu versorgen (Statistik Austria).

Land- und forstwirtschaftliche Arbeitskräfte in Österreich 1995-2020 – © STATISTIK AUSTRIA Agrarstrukturerhebung (12.07.2022)

Viele Betriebe kämpfen auch mit der Frage der Betriebsnachfolge und so geht die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit Mitte der 1990 kontinuierlich zurück. Die Zahl der durchschnittlich bewirtschafteten Fläche pro Betrieb nimmt hingegen zu. Das bedeutet, dass viele der Flächen der aufgelassenen Betriebe von anderen Betrieben aufgekauft werden, wodurch der in der Landwirtschaft seit Jahren präsente Slogan „wachsen oder weichen“ statistisch hinterlegt wird (Statistik Austria). 

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe 1995, 1999, 2010 und 2020 – © STATISTIK AUSTRIA Agrarstrukturerhebung (12.07.2022)

Die abnehmende Zahl der landwirtschaftlichen Beschäftigten wird auch durch zunehmenden Maschineneinsatz kompensiert. Stehen weniger Personen für die Futterernte zur Verfügung, muss diese maschinell umgesetzt bzw. dementsprechend angepasst werden. Die steigende Zahl der durchschnittlichen bewirtschafteten Flächen pro Betrieb führt vielerorts auch zu größeren und einheitlicher bewirtschafteten Flächen. Dadurch gehen Wiesenbegleitstreifen und -böschungen sowie die damit einhergehende Flora und Fauna verloren. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft zeichnet sich auch eine Vereinheitlichung der angebauten Feldfrüchte bzw. der jeweiligen angebauten Sorten dieser Feldfrüchte sowie der gehaltenen Weide- und Masttiere ab. Diese Abnahme einerseits in den angebauten Feldfrüchten und gehaltenen Tieren sowie der Strukturvielfalt der Landschaft geht mit einer Dezimierung der Artenvielfalt einher.

Nachhaltigkeit der Landwirtschaft

Nichtsdestotrotz leisten extensive Landwirtschaft und Berglandwirtschaft mit ihrer kleinstrukturierten, standortangepassten und naturnahen Arbeitsweise einen essentiellen Beitrag zum Erhalt struktur- und artenreicher Landschaften und somit der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft und der damit einhergehenden Artenvielfalt. Diese Art der Landschaftspflege und Landwirtschaft wird auch durch bestimmte Fördersysteme des Bundes und der EU, zum Beispiel dem ÖPUL-Programm, finanziell gefördert und leistet einen essentiellen Beitrag zur Erhaltung unserer fruchtbaren Böden, die für unsere Ernährungssouveränität sowie für unseren Wasser- wie auch Kohlenstoff-Kreislauf von enormer Bedeutung sind. Besonders für die Berglandwirtschaft sind solche und ähnliche Fördersysteme von enormer Bedeutung, um diese Art der Flächenbewirtschaftung wirtschaftlich rentabel fortzuführen. Doch auch mit Hilfe der vorhandenen Fördersysteme bleibt es für die Landwirtschaft ein Spagat zwischen Landschaftspflege und wirtschaftlichem Arbeiten. Hier stellen sich Fragen der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit und wie wir als Verbraucher:innen diese mit unserem Konsumverhalten unterstützen können.

Titelbild © Thomas Obermair

Author: Verena Gruber