Was hat der Borkenkäfer mit dem Klimawandel zu tun?

Gerade in den letzten Jahren sind vermutlich jedem einmal Borkenkäfer oder die von ihnen zurückgelassenen, abgestorbenen Bäume untergekommen – wenn nicht beim Spazieren durch den Wald, dann in den Medien. Borkenkäfer sind braune oder schwarze, kleine Käfer, die unter der Borke meist kranker oder geschwächter Bäume brüten und ihnen dadurch schaden. Die Insekten sorgen so für eine gewisse Menge an Totholz und sind deshalb ein natürlicher und wichtiger Teil des Ökosystems Wald. In den trockenen, warmen Sommern in letzter Zeit – vor allem seit 2015 – kommt es jedoch zunehmend zu immer größeren Schäden durch Borkenkäfer. Es ist also an der Zeit für uns, sich genauer mit diesem Käfer auseinanderzusetzen.

Das Leben eines Borkenkäfers

Die unscheinbaren, wenige Millimeter großen Käfer sind flugfähig, legen jedoch meist keine großen Strecken zurück. Sie ernähren sich in der Tat von Bäumen, jedoch haben sie es eigentlich nicht auf die Borke abgesehen, sondern auf das darunterliegende, nährstoffreiche Bastgewebe. Weltweit gibt es tausende Arten, die zur Unterfamilie der Borkenkäfer gehören und die sich in ihrem Verhalten unterscheiden. In Österreich sind vor allem der Buchdrucker und der Kupferstecher sehr häufig. Bei diesen Arten sind es die Männchen, die zuerst Löcher in die Rinde bohren, um in ihr eine Kammer – die sogenannte „Rammelkammer“ – anzulegen. Dorthin locken sie die Weibchen mithilfe von Duftstoffen, den Pheromonen. Durch Pheromone wird auch anderen Borkenkäfermännchen signalisiert: „Hey, kommt her, hier ist ein guter Brutplatz!“ (ZDF, 2021; Riederer, 2022)

Hat das Männchen ein Weibchen angelockt, wird es in der Kammer begattet und es legt weitere Gänge an, in denen es die Eier ablegt. Aus den Eiern schlüpfen dann die Larven, die sich während ihres Wachstums weiter durch das für den Baum lebensnotwendige Bastgewebe fressen, das dem Nährstofftransport dient. Irgendwann verpuppt sich die Larve und wächst zum fertigen Käfer heran, der sich dann aus der Rinde herausbohrt und sich einen neuen Baum – meist innerhalb eines 100-Meter-Radius – sucht. Das Spiel beginnt von neuem. (Land Südtirol, 2022)

Der Buchdrucker (Ips Typographus) ist der in Österreich häufigste Borkenkäfer – © Gilles San Martin

Massenvermehrungen

Normalerweise ist der Borkenkäfer ein „Sekundärschädling“. Das heißt, er fällt keine gesunden, sondern nur geschwächte, gestresste oder bereits gefällte Bäume an. Problematisch wird es, wenn die Wetterbedingungen ihm in die Hände spielen und wenn genügend leicht verfügbare Brutplätze vorhanden sind. Wenn – zum Beispiel nach Stürmen – viele umgeknickte und entwurzelte Bäume im Wald liegen und das Wetter trocken und heiß ist, kann er sich besonders gut ausbreiten. Vor allem mit dem Entstehen mehrerer Käfergenerationen durch die Fortpflanzung kann die Zahl der Käfer sehr rasch ansteigen.  Das folgende (vereinfachte) Rechenbeispiel macht das sehr deutlich: Angenommen ein Weibchen hat 50 Nachkommen, wovon 50% Männchen sind, dann entwickeln sich aus nur einem befruchteten Weibchen in der ersten Tochtergeneration 50, in der zweiten 1250 und in der dritten Generation schon 31250 Nachkommen (Steyrer et al., 2020). Geht man nicht von einem, sondern von 200 befruchteten Weibchen aus, steigt die Zahl der theoretischen Nachkommen auf über 6 Millionen an. Zur besseren Einordnung: Um einem Baum den Garaus zu machen, sind nur 200 bis 500 Käfer nötig. 

Wenn die leicht verfügbaren Brutplätze in den bereits abgestorbenen Bäumen aufgebraucht sind, schwärmen die Käfer in großer Zahl aus und machen sich daran, auch stehende, gesunde Bäume zu besiedeln. Man spricht dann von einem “Primärschädling”. Auf diese Weise können dem Borkenkäfer auch große Flächen wenig geschwächten Waldes zum Opfer fallen. (Hoch & Schopf, 2019; Hoch & Steyrer, 2020; Land Südtirol, 2022)

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Das Brutsystem eines Borkenkäfers – © Prometheus  

Der größte Forstschädling Österreichs

Speziell der Buchdrucker (Ips typographus) bereitet Österreichs Wäldern Probleme. Laut DWF (Dokumentation der Waldschädigungsfaktoren des Bundesforschungszentrum für Wald) war der Buchdrucker von 2010 bis 2020 für 81 % der Schäden durch Borkenkäfer in Österreich verantwortlich. Zusammen mit dem Kupferstecher hat er es besonders auf die Fichten abgesehen (Hoch & Steyrer, 2020). Da etwa die Hälfte aller Bäume in Österreich Fichten sind, (Schadauer et al., 2019) verwundern auch die großen Mengen an Schadholz nicht, die im Zusammenhang mit Borkenkäfern anfallen: Im Rekordjahr 2018 wurden auf einer Schädigungsfläche von über 300 km2 mehr als 5 Millionen Vorratsfestmeter (also m3) entnommen (Steyrer et al., 2019). Wirtschaftlich ist das nicht nur wegen des zerstörten Waldes schlecht. Auch der Preis, zu dem Waldbesitzer das anfallende Holz verkaufen können, ist mitunter sehr gering, da durch Borkenkäfer-Massenvermehrungen so viel Holz auf einmal anfällt, dass es billig verkauft werden muss. Außerdem ist das durch die Käfer abgestorbene Holz häufig von Pilzen befallen und ist daher optisch nicht mehr so ansprechend. (Reimann, 2020)

Und was hat das mit dem Klima zu tun?

Bis zum Ende der 1980er Jahre wurden keine jährlichen borkenkäfer-bedingten Schadholzmengen über 0,5 Millionen Vorratsfestmeter registriert. Seit den 1990er Jahren nehmen Häufigkeit und Intensität von Massenvermehrungen jedoch zu. Wir erinnern uns: Die Schadholzmenge im Rekordjahr 2018 betrug 5 Millionen Vorratsfestmeter – zehn Mal so viel wie nur dreißig Jahre zuvor. Der Schluss liegt also nahe, dass sich die Umweltbedingungen zugunsten des Borkenkäfers verändert haben. Der Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Schadholzmenge und dem Anstieg der Temperatur lässt sich auch in diesem Diagramm gut nachvollziehen. (Hoch & Steyrer, 2020)

 Jährliche Schäden durch Borkenkäfer und Jahresmitteltemperaturen in Österreich: Datenquellen: DWF und frühere Erhebungen; ZAMG. (Abbildung übernommen aus Hoch & Steyrer (2020))

Die drei wichtigsten Gründe für dieses Phänomen:

  • Borkenkäfer entwickeln und vermehren sich bei wärmerem Wetter besonders gut. Eine Käfergeneration braucht, bei einer Temperatur von 30 °C nicht einmal halb so lange um sich zu entwickeln, wie bei 15 °C. 
  • Die Trockenheit macht gerade der Fichte sehr zu schaffen. Längere Perioden ohne Regen verträgt sie nicht so gut. Sie ist dadurch schwächer und anfälliger für den Befall durch Borkenkäfer.
  • Dazu kommt, dass durch extremere Wetterereignisse, die der menschgemachte Klimawandel mit sich bringt, oft viel totes Brutholz zur Verfügung steht.

Tatsächlich lässt sich auch innerhalb Österreichs nachvollziehen, dass der Borkenkäfer gerade in von Temperaturanstieg und Trockenheit besonders betroffenen Bereichen überdurchschnittlich viel Schaden anrichtete. (Hoch & Steyrer, 2020)

Es gibt unterschiedliche Lösungsansätze

Der traditionelle Lösungsansatz ist ein immerwährender Kampf gegen die Ausbreitung der kleinen Krabbler. Das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) hat dazu einen detaillierten Leitfaden erstellt, der die wichtigsten Maßnahmen und die gängigsten Bekämpfungsmöglichkeiten zusammenfasst (Steyrer et al., 2020).

Das Wichtigste hierbei ist die frühe Erkennung befallener Bäume anhand des braunen Bohrmehls, das die Borkenkäfer aus den kreisrunden Bohrlöchern werfen oder am Harz, das der Baum absondert, um sich gegen den Eindringling zu wehren. Wird ein Befall entdeckt, ist der Waldeigentümer dazu verpflichtet, den Befall zu bekämpfen. Die Bäume müssen gefällt und abtransportiert oder entrindet werden, bevor sich der Borkenkäfer weiter ausbreiten kann. Damit das abtransportierte Holz nicht weiter als Brutstätte dienen kann, sollte es abgedeckt oder weit entfernt von potentiellen anderen Brutstätten entfernt gelagert werden. Auch der Einsatz von Insektiziden oder das Häckseln des Holzes ist möglich. (Steyrer et al., 2020)

Mischwälder sind resistenter

Unstrittig ist, dass Mischwälder resistenter gegen Massenvermehrungen sind. Fichtenmonokulturen, wie sie in Österreich häufig vorkommen, bieten optimale Bedingungen für die Massenvermehrungen, da viele potentielle Brutplätze für die Fichtenschädlinge Buchdrucker und Kupferstecher vorhanden sind. Zusätzlich werden Fichten oft in Bereichen angepflanzt, in denen sie nicht von Natur aus vorkommen würden. Weit unten im Tal leidet der Baum oft unter Trockenstress und ist deshalb nicht so wehrhaft gegen etwaige Angreifer. Und während in Fichtenmonokulturen wenig Biodiversität vorhanden ist, leben in Mischwäldern mehr natürliche Feinde des Borkenkäfers. Mischwälder haben unter Umständen auch noch weitere Vorteile wie eine bessere Schutzfunktion, leichtere Pflege und teils sogar eine höhere Wertschöpfung. (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, 2022; Riederer, 2022)

Und wenn man den Borkenkäfer einfach gewähren lässt?

Was mit einem Wald passiert, wenn man dem Borkenkäfer keinen Einhalt gebietet, kann man am Beispiel des Nationalparks Bayerischer Wald beobachten. Seit man dort im Jahre 1983 der Natur freien Lauf gelassen hat, sind dort tausende Hektar Fichtenwald durch den Borkenkäfer zerstört worden. Heute sprießen zwischen dem liegengelassenen Totholz wieder Bergahorn und Buche, die sich in dem dort herrschenden Klima wohl fühlen. Auch seltene Pilz- und Vogelarten sind wieder in den Wald zurückgekehrt. Dieser natürliche Prozess der Regeneration braucht jedoch viel Zeit: Teilweise wird es noch hunderte Jahre dauern, bis dort ein neuer, gesunder Wald wächst. (Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, o. J.; ZDF, 2021; Riederer, 2022)

Der Wald in der Kernzone des Nationalparks Bayerischer Wald regeneriert sich auf natürliche Weise
– © NiamhNature

Literatur

Headerbild: Borkenkäferschäden im Nationalpark Bayerischer Wald – © Kurt Seebauer

Author: David Schnetzer