Ein Interview mit Österreichs erster verifizierter grüner Bank

Im Rahmen unserer aktuellen Kampagne haben wir uns mit unserer Bank, dem Umweltcenter Gunskirchen, über Nachhaltigkeitskriterien, ihre Entstehung und nachhaltige Anlagemöglichkeiten unterhalten. Es sprachen Bettina Jaksch-Fasthuber vom Umweltcenter und Moritz Nachtschatt von POW.

  • Wie kam es zur Entstehung des Umweltcenter Gunskirchen?

„Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“ – Getreu diesem Motto von Friedrich Wilhelm Raiffeisen geht die Raiffeisenbank Gunskirchen mit dem Umweltcenter einen anderen, nachhaltigeren Weg. Um diese Nachhaltigkeit transparent und nachvollziehbar zu gestalten, haben wir 2012 das eigenständig agierende Umweltcenter gegründet, das als ‚Bank in der Bank‘ fungiert. Wir veranlagen das Geld, das uns unsere Kunden anvertrauen, in nachhaltige, ökologische und soziale Projekte. Mit dem Umweltcenter setzen wir unsere Vision einer grünen Bank im Herzen von Oberösterreich um. Das Umweltcenter wurde auch als Antwort auf die Bankenkrise, mangelnder Nachvollziehbarkeit der Geldverwendung (globale Geldströme) und als Wahrnehmung der Verantwortung für die nächste Generation gegründet. Die Sorge, wie es mit unserer Umwelt weitergeht und was wir als Bank dafür tun können, um diese zu erhalten stand dabei im Fokus. Wir haben also die Gemeinwohlidee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen weiterentwickelt und zu unserem ganz eigenen nachhaltigen, ökologischen und sozialen Geschäftsmodell ausgebaut.

  • Was ist das Besondere am Umweltcenter Gunskirchen und was unterscheidet es von anderen Banken in Österreich

Mit der Gründung des Umweltcenters hat die Raiffeisenbank Gunskirchen ein Geschäftsmodell mit klaren Ausschlusskriterien und vor allem mit klaren Investitionskriterien etabliert. Diese Kriterien sind in der Umweltgarantie genau definiert. Um die Umsetzung dieser Umweltgarantie sicherzustellen und dabei die größtmögliche Transparenz zu gewährleisten, werden sämtliche im Umweltcenter veranlagten Gelder in einem eigenen Rechnungskreis dargestellt und somit vom übrigen Bankgeschäft vollständig getrennt. Wir garantieren unseren Kunden, dass die bei uns angelegten Geldmittel aus Umweltcenter-Produkten ausschließlich nach genauen Vorgaben der Umweltgarantie verwendet werden.  Einmal im Jahr wird mit der Prüfung, ob die Finanzierungen und die Investitionen des Rechnungskreises „Umweltcenter“ für Projekte gemäß den bankintern festgelegten Kriterien der „Umweltgarantie“ verwendet werden, regelmäßig ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer beauftragt. Die letzte diesbezügliche sonstige Prüfung (gemäß Fachgutachten KFS/PG 13) fand zum Stichtag 31.07.2020 statt. Die aktuelle Prüfung läuft gerade. Mit dieser garantierten und geprüften Mittelverwendung und den auf unserer Website veröffentlichten Finanzierungsprojekten erfahren unsere Kunden ganz genau, was mit ihrem Geld passiert und wofür es eingesetzt wird. 

Um die Prozesse und Abläufe hinter den Entscheidungen transparent und nachvollziehbar zu gestalten und das Thema nachhaltige Geldanlagen auf eine neue, breitere Ebene zu stellen, hat das Umweltcenter 2018 ein eigenes Expertengremium installiert – den Umweltbeirat. „Bestehend aus fünf Experten, die sich alle für unsere Umwelt stark machen, berät und begleitet uns der Umweltbeirat in unserem täglichen Tun.

Gründer Hubert Pupeter und Leiterin Kristina Proksch
  • Wie nimmt Ihre Bank ihre Verantwortung als Kapitalverwalter und Kreditinstitut nachhaltig und mit Blick auf die Umwelt, das Klima und die Gesellschaft wahr?

Die Schwerpunkte der Banktätigkeit des Umweltcenters sind in unserer Umweltgarantie genau definiert und liegen in den Bereichen des ökologischen Bauens, des ökologischen Sanierens, der „Erneuerbaren Energie-Nutzung“ (Solarnutzung, Wind- und Wasserkraft sowie Biomassekraftwerke), nachhaltigen E-Mobilität, ökologischer Land- und Forstwirtschaft, Recycling und umweltfreundlicher Abfallwirtschaft, Schadstoffverringerung und -beseitigung sowie einer nachhaltigen Wirtschaftsweise bei der Herstellung und dem Vertrieb von Produkten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Unternehmen, Menschen und Organisationen, die eine nachhaltige Entwicklung insbesondere durch umwelt- und sozialverträgliches Wirtschaften fördern, gemäß der UN Sustainable Development Goals (SDG) und so zum Gemeinwohl beitragen. Die Finanzierung zum Beispiel von Infrastrukturprojekten war schon unserem Gründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen ein großes Anliegen. Wir setzen diesen Weg fort und fördern nun in der Gegenwart und für die Zukunft Projekte, die die Nutzung von Sonne, Wind und Wasser, aber auch von Wald und Boden fördern. Nachhaltige und faire Produktionsbedingungen, biologische Landwirtschaft und E-Mobilität aber auch der soziale Wohnbau sind Schwerpunkte unseres Investitionsspektrums.

Wir sind aber auch aktive Gestalter und nicht nur passive Finanzierer und sind uns unserer Verantwortung sehr wohl bewusst. Wir setzen daher verstärkt auf Bewusstseinsbildung und gelebte Corporate Social Responsibility. Gemeinsam mit dem Klimabündnis Oberösterreich veranstalten wir mit „Das gute Geld – Investieren mit MehrWert“ das Informationsevent für nachhaltige Geldanlagen, alternative Investments und Green Banking in Österreich. Als Live-Event mit Vorträgen und Sessions zu verschiedenen Schwerpunktthemen ins Leben gerufen, fand es erstmals am 24. Oktober 2017 statt und zieht seitdem jedes Jahr im Herbst Menschen aus ganz Österreich an. Weitere Aktionen, um die Menschen für nachhaltige und grüne Geldanlagen und Investments zu sensibilisieren, sind unter anderem unsere alljährliche Baumschenkaktion, in der wir den Familien, die in einer unserer fünf Bankstellengemeinden Nachwuchs bekommen haben, einen eigenen Lebensbaum schenken. Mit den jährlichen Ferienpass-Aktionen in unseren Bankstellengemeinden wollen wir Kindern von 7 bis 14 Jahren Themen rund um Umweltschutz und Klimawandel spielerisch und interaktiv näherbringen. Ob mit der Restlküche aus abgelaufenen Lebensmitteln oder der Nähküche, in der die Kinder lernen, Stoffe und andere Utensilien zu nachhaltigen Kleidungsstücken upzucyclen. (mehr dazu). Auch Insekten haben es uns angetan. In Kooperation mit der Volksschule und Mittelschule Gunskirchen wird mit dem Projekt „Insekten sind in“ direkt vor der Bank eine Wiese als Insektenparadies hergerichtet. Das Umweltcenter engagiert sich auch im sozialen Bereich. Gemeinsam mit dem örtlichen OikoCredit Verein, 3. Welt-Gunskirchen, setzt sich die Bank für eine Welt mit mehr Gerechtigkeit ein. Kooperationen wie mit der Genossenschaft für Gemeinwohl (GfG) oder der Initiative Bewusst Gemeinsam Leben stellen das Engagement des Umweltcenters auf eine noch breitere Ebene.

  • Wie spiegelt Ihre Bank persönlichen Werte Ihrer Kund*innen in der Verwaltung ihres Geldes wider (z.B. keine Investition oder Kredite in Kohleförderung)?

Unsere Umweltgarantie ist die Grundlage für jede geschäftliche Entscheidung im Umweltcenter. Die nachhaltigen Werthaltungen unserer Kunden sind also per definitionem in unserer Banktätigkeit berücksichtigt. Bei Wertpapierveranlagungen werden spezielle persönliche Präferenzen abgefragt und natürlich bei der Veranlagung berücksichtigt.

  • Setzt sich Ihre Bank aktiv für eine Reduktion des eigenen ökologischen Fußabdrucks ein (z.B. für die Senkung der durch sie finanzierten Treibhausgas-Emissionen aus Anlage- und Kreditprodukten etc.)?

Neben den finanzierten Projekten ist es uns auch ein Anliegen, im eigenen Haus sowie in und auch außerhalb der Region nachhaltig zu agieren und Umweltbewusstsein und Verantwortung anderen gegenüber wirklich zu leben. Wir sind deshalb auch seit 2012 ein Klimabündnisbetrieb und haben uns damit zur Umsetzung von Maßnahmen für den Klimaschutz verpflichtet. Die Menge an CO2, die wir pro Jahr in der Raiffeisenbank Gunskirchen und den Bankstellen produzieren, kompensieren wir durch die Unterstützung entsprechender Ökoprojekte. Konkret wurden in der Raiffeisenbank Gunskirchen folgende Ziele bereits verwirklicht: Energieeffiziente Beleuchtung, nachhaltiger Zubau in Holzbauweise, Photovoltaik-Anlage, E-Tankstellen zum kostenlosen Strom tanken für Mitarbeiter und Kunden, Einkauf von Fair Trade Produkten (Kaffee, Zucker usw.), gratis Bio-Obstkorb und Bio-Joghurt für die Mitarbeiter und noch vieles mehr.  Einen Schwerpunkt haben wir in diesem Jahr auf die Förderung der E-Mobilität gesetzt mit neuen E-Autos als Firmenwagen, der für Mitarbeiter kostenlosen zweiten Stromtankstelle vor dem Haus und nicht zuletzt mit unserem Projekt ‚Jobrad‘“, Mit dem ‚Jobrad‘ leisten wir mit der Anschaffung von E-Bikes einen nachhaltigen Beitrag zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiter und zum gelebten Umweltschutz, da mit den E-Bikes mehrere hundert Autokilometer pro Jahr eingespart werden können.

  • Welche Möglichkeiten bietet Ihre Bank, nachhaltig positive Wirkung mit dem Geld Ihrer Kund*innen zu erzielen?

Wir machen das Geld unserer Kund*innen zur Umwelteinlage und dieses Geld, gibt uns die Möglichkeit, in eine ökologischere und sozialere Zukunft zu investieren. Die Methode dahinter ist einfach: Wir suchen vorausschauende und nachhaltige Projekte in ganz Österreich, die unseren strengen ökologischen und sozialen Anlagekriterien, die wir in der Umweltgarantie definiert haben, entsprechen. In diese ausgewählten Projekte, Unternehmen und Ideen investieren wir das veranlagte Geld in Form einer Kreditfinanzierung. Damit schaffen wir einen sinnvollen Kreislauf aus Geldgebern und Geldnehmern.

Die vom Umweltcenter finanzierten Projekte spannen einen Bogen vom ökosozialen Wohnbau (z.B. B.R.O.T. Pressbaum, WILLDA Wohnen Wien) über Biomasse (z.B.: Biomasseheizwerk Liezen, Thalheim, Offenhausen), Recycling, Windkraft (Windpark Munderfing) und die Errichtung von Photovoltaikanlagen (PV-Anlage auf Firmendächern in Gunskirchen, Österreichs größte Eigenverbrauchsanlage auf dem Dach der PlusCity) bis hin zur Finanzierung von E-Autos oder ökologisches Bauen. Mit Investitionen in eine Umwelt, die Zukunft hat, macht sparen richtig Sinn. Denn damit wird auch noch nachfolgenden Generationen der Zugang zu klarem Wasser, reiner Luft und einer sauberen Umwelt ermöglicht.

  • Welche spezifischen, nachhaltigen Spar-, Anlage-, Vorsorge- und Kreditprodukte stehen Ihren Kund*innen heute zur Verfügung?

Mit unseren eigenen Umweltcenterprodukten, die vom Umwelt-Girokonto für Private, Firmen, Jugendliche und Studenten über das Umwelt-Online-Sparkonto und Umwelt-Sparbüchern bis hin zu eigens aufgelegten Anlageprodukten wie den Sonnenbausteinen (Termineinlagen für z.B.: Photovoltaik-Anlagen) reichen, bietet das Umweltcenter seinen Kunden österreichweit die Möglichkeit ihre täglichen Geldgeschäfte und Veranlagungen als echtes Green Banking abzuwickeln.  Unsere Spar- und Giroprodukte wurden Anfang März 2020 als erste nachhaltige Spar- und Giroprodukte in Österreich mit dem Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte ausgezeichnet! Um unser Produktportfolio abzurunden, bieten wir auch in Zusammenarbeit mit den Kepler Ethik Fonds und Raiffeisen Capital Management unseren Kunden die Möglichkeit ihr Kapital in nachhaltige Wertpapiere anzulegen.

  • Nach welchen Gesichtspunkten werden die einzelnen Wertschriften (Aktien, Obligationen etc.) bzw. Produkte ausgewählt und wie wird dabei die Nachhaltigkeit berücksichtigt? (z.B. ESG Kriterien)

Das Umweltcenter der Raiffeisenbank emittiert keine eigenen Fonds. In der Wertpapierveranlagung arbeiten wir mit Produkten der Kepler KAG und Raiffeisen Capital Management. Die KEPLER Ethik- und Nachhaltigkeits-Fonds tragen das Österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte, sowie das europäische Transparenzlogo für Nachhaltigkeitsfonds von Eurosif. Darüber hinaus werden die strengen Kriterien der Österreichischen Bischofskonferenz eingehalten. Die KEPLER-FONDS KAG ist außerdem Unterzeichnerin der UN PRI und des Montréal Carbon Pledge. Die Produkte von RCM haben Nachhaltigkeit im Anlageprozess durch eine durchgehende Integration von ESG, kurz für Environment, Social, Governance, verwirklicht. Neben ökonomischen Faktoren werden somit ökologische und gesellschaftliche Aspekte ebenso wie (gute) Unternehmensführung in die Investmentprozesse integriert. Die Nachhaltigkeitsfonds von RCM tragen das Österreichische Umweltzeichen, das europäische Transparenzlogo für Nachhaltigkeitsfonds von Eurosif, das FNG-Siegel vom Forum Nachhaltige Geldanlagen und sind von yourSRI.com bewertet und haben ein AA+ SCOPE Asset Management Rating.

  • Haben nachhaltige Produkte, die Ihre Bank anbietet, einen positiven Einfluss auf die Menschen und den Planeten? Wie wird dieser Einfluss gemessen und Ihren Kund*innen gegenüber dargestellt?

Aktuell haben wir ein Kreditvolumen von 53,48 Mio. € in 185 verschiedenen Projekten aus den Bereichen Photovoltaik, ökologisches Bauen, Biomasse, Recycling, Windkraft, innovative Ideen, biologische Landwirtschaft und E-Mobilität investiert. Die finanzierten Projekte ersparen der Umwelt 17.129 Tonnen CO2 pro Jahr. Dies entspricht dem CO2-Äquvalent von 109.139.000 gefahrenen Autokilometer mit einem Mittelklassewagen. (Stand 31.12.2020)  Auf unserer Website versuchen wir die „Umweltwirkung“ unserer Projekte darzustellen. Das ist mitunter gar nicht so einfach, wir haben uns entschieden, die CO2-Einsparung sowie sonstige Einsparungen und nachhaltige Aspekte der einzelnen Projekte darzustellen.