Ein Interview mit POW Athlete Vali Werner-Tutschku

“Athletes Alliance” – Das hört sich ziemlich spannend an und ist es auch. Die Gemeinschaft von Profis aus dem Outdoorsport, die sich für die Werte von Protect Our Winters einsetzt,  zeigt, wie cool Klimaschutz sein kann. Leugnen kann man es nicht: Das Foto- und Filmmaterial von Freerider:innen, Kletter:innen und auch allen anderen Sportler:innen ist spektakulär, da staunen alle! Mit der Aufmerksamkeit, die sie dadurch erregen, können unsere Athlet:innen eine besondere Vorbildrolle in der Community einnehmen. Mit einem, der sich das auch im Zuge seiner Filmprojekte mit seiner Freeride-Crew “Mountain Tribe” zum Ziel gesetzt hat, habe ich mich für diesen Blogbeitrag online getroffen: Vali Werner-Tutschku – mein oberösterreichischer Landsmann – klärt uns über seine Saisonvorbereitung auf und wie er einen Mehrwert aus seiner Leidenschaft herausholt.

Hi Vali! Schön, dass du heute Zeit hast, dich durch ein paar Fragen zu quälen! “Quälen” sage ich bewusst, denn heute sprechen wir nicht übers Freeriden selbst, deine Leidenschaft und mittlerweile Winter-Beruf, sondern die Offseason im Sommer.

Hi Thomas! Vielen Dank erst einmal, dass wir das Interview machen, find’ ich voll cool! Wenn ich mich zu Beginn kurz vorstellen kann: ich bin Vali Werner-Tutschku, leidenschaftlicher Freerider, eigentlich aus Oberösterreich, aber seit einigen Jahren in Innsbruck wohnhaft. Dort habe ich begonnen, neben dem Freeriden als Reinform, sag’ ich jetzt einmal, mit ein paar Freunden Filme zu produzieren, wo wir jetzt schon seit 5 Jahren dran sind. So habe ich mir den Weg gebahnt, der mir am meisten Spaß macht!

Erste Frage: ist die Offseason für dich auch eine Quälerei? Oft hört man in der Freeride-Szene ja von “summer depressions”.

Natürlich ist es immer eine leidige Zeit, wenn man nicht Skifahren kann. Aber es gibt auch ganz viele Sportarten, ganz viele coole Sachen, die man im Sommer machen kann. Und wenn es dann so langsam gegen Ende August, Anfang September geht, dann kommen schon die ersten Gedanken ans Skifahren, an die neue Saison auf. Ab da ist man hyped und hofft auf eine super coole Saison, im Kopf fängt der Winter also eigentlich schon bald wieder an. An “summer depressions” leide ich also nicht, würde ich sagen, weil ich so viele andere Bergsportarten finde, die mir Spaß machen.

Und war das bei dir schon immer so? Hast du als Kind/als Jugendlicher den Unterschied zwischen Sommer und Winter auch so wahrgenommen? Damals hast du ja noch nicht in Innsbruck gewohnt, da war das Leben vermutlich ein bisschen anders.

Ja, also früher, ich war seit ich sechs Jahre alt bin im Skiverein, war ich halt jedes Wochenende zwei Tage skifahren, unter der Woche dann 5 Tage in der Schule. Zu den Skigebieten musstest du halt immer ein Stück fahren – die ersten namhaften Skigebiete waren etwa eine Stunde entfernt. Das ist in Innsbruck natürlich anders, wenn du nach einem fetten Schneefall aufwachst und auf der Nordkette schon gebombt wird, also Lawinen gesprengt werden. Wo ich hier gerade in Oberösterreich sitze, sehe ich die Berge nur aus der Ferne. Durch den Mehraufwand für das Skifahren war der Unterschied zwischen Sommer und Winter also in der Kindheit noch viel extremer. 

Welche Jahreszeit bedeutet für dich mehr Freizeitstress? Vor allem bezüglich Training? Also Sport machst du ja im Winter viel und vermutlich im Sommer auch.

Ja, im Sommer ebenfalls viel, aber halt anderen Sport. Da bin ich sehr viel am Radl, Rennrad und Mountainbike, und natürlich auch am Berggehen. Aber am meisten Freizeitstress habe ich auf jeden Fall im Herbst, weil dann in ganz Europa Filmpremieren stattfinden, wo wir auch persönlich vor Ort sind. Gleichzeitig startet dann noch der Hype vom Skifahren selbst. Eigentlich willst du auf deine Ski, bist aber unterwegs, um deine Arbeit vom letzten Jahr zu präsentieren, deine Projekte, und machst eigentlich das, worauf du hingearbeitet hast. Das ist ein Zwiespalt zwischen einerseits der Leidenschaft an sich nachzugehen, andererseits stolz die eigene Arbeit zu präsentieren. Diesbezüglich ist der Herbst natürlich auch die wichtigste Zeit, um Sponsoren zu finden.

Das Mountainbike unterm Arsch statt den Powderlatten an den Füßen, Vali hat definitiv auch Spaß an Sommersportarten! – © Malte Küper

Eine gute Überleitung zu meiner nächsten Frage: Mit der körperlichen Vorbereitung auf die Wintersaison ist es ja, wie du sagst, nicht getan. Was gibt es da noch zu tun, damit die Powderdays, vor allem mit deiner Filmcrew Mountain Tribe, dann voll genutzt werden können?

Ja, also wenn wir jetzt einmal vom Körperlichen absehen, ist die Filmproduktion mit Mountain Tribe das, was am meisten Zeit in Anspruch nimmt – über das ganze Jahr verteilt, und das in einem jährlichen Zyklus. Im Frühjahr fängst du an, ein Projekt zu planen, über den Sommer pitcht du es dann, um es über Sponsoren zu finanzieren. Dann geht das ganze im Herbst schon in die Planung und im Winter natürlich in die Umsetzung. Ist der Film dann produziert, geht es im Frühjahr ans Schneiden und gleichzeitig machen wir schon neue Pläne. Und erst im Herbst, wenn das nächste Projekt schon vor der Türe steht, also geplant und die Finanzierung geklärt ist, sind wir mit dem Schnitt fertig und können unsere Arbeit vom letzten Winter zeigen. Bei jährlich anfallenden Projekten überschneidet sich das also ziemlich. Aktuell haben wir ein Filmprojekt über zwei Jahre laufen. Das heißt, dieser Herbst wird etwas entspannter sein – der Film an dem wir gerade arbeiten kommt erst im Herbst 2023.

Und ist es schwierig, die Ideen zu sammeln, die man für Filmprojekte hat? Es kommt wahrscheinlich zwischendurch auch viel auf.

Wenn man anfängt, eine Idee zu entwickeln, dann reden wir uns da mit der Crew zusammen und schauen, wie wir aus diesem ersten Gedanken etwas basteln. Dann wird aus einer Idee ein Konzept. Vom Grobkonzept geht es weiter ins Feinkonzept und dann eben zur Umsetzung. Im Prinzip wie ein Businessplan, nur halt auf eine kleine Filmproduktion heruntergebrochen, sag ich jetzt einmal. Damit gelingt uns natürlich ein professionelleres Auftreten, das bei vielen Dingen von Vorteil ist und ausschlaggebend sein kann, ob man es schafft, ein Projekt zu realisieren oder nicht.

Jede Planung verfolgt ein Ziel. Welche Ziele setzt ihr euch mit den Filmprojekten? 

Wir wollen mit unseren Filmprojekten Leute inspirieren. Wir zeigen eigentlich wenig Abstraktes, sondern wirklich Nahbares fürs Publikum, wo man sich hineinversetzen kann. So wollen wir einen Gedanken in die Leute pflanzen und Anstoß geben, um das umzusetzen, was einem Freude macht! Eigentlich jedes Jahr nehmen wir außerdem ein ernsteres Thema als Side-Topic mit in das Projekt hinein. Nicht nur, um die Story kreativer zu machen, sondern auch, um zum Nachdenken anzuregen. Dieses Ziel ist erreicht, wenn in der Halbzeitpause von einem Filmfestival über den eigenen Film im Publikum gesprochen wird. Wenn sich die Leute etwas mitnehmen und später daheim denken: “Woah cool he, das könnte ich jetzt auch machen. Habe das schon so lange vor, das hat mir heute einen Anstoß gegeben.” Und nebenbei macht es uns natürlich voll Spaß, so etwas auf die Beine zu stellen, sonst würden wir es nicht machen!

Als POW Athletes habt ihr ja auch das Thema Nachhaltigkeit im Hinterkopf, das habt ihr bei euren früheren Filmen schon gezeigt. Ist es auch ein großes Ziel von euch, dass ihr Bewusstsein für Umweltschutz, für Klimaschutz, in der Freeride-Szene implementiert?

Im aktuellen Film ist das auf jeden Fall ein Sub-Thema. Um das kurz vorweg zu nehmen, der aktuelle Film handelt von einer Skidurchquerung von ganz Tirol, nur zu Fuß bzw. auf Ski. Natürlich befassen wir uns dabei auch damit, wie so etwas nachhaltig möglich ist. Und damit, welche Infrastruktur Tirol bietet, und gleichzeitig die unberührte Natur, die es gilt zu schützen! Wir wollen die Differenz zwischen den vielen verbauten und verkabelten Bergen und andererseits den ein, zwei Täler weiter liegenden Landschaften zeigen, wo es aussieht, als wäre man der erste, der jemals dort gewesen ist. Intern in unserer Produktion unterstützen wir umweltbewusstes Handeln natürlich auch. Wir belohnen nachhaltiges Reisen, indem wir so gut wie möglich alle Kosten ersetzen, und sind da natürlich immer motiviert, auch wenn es manchmal teurer ist, auf Nachhaltigkeit zu setzen. Das aber nicht nur beim Filmen selbst, sondern auch in unserem Alltag als Skifahrer.

Woraus nehmen du und deine Crew die Motivation dafür, bewusster zu handeln? Was hat dich bzw. euch dazu veranlasst?

Die Motivation dazu beruht eigentlich auf der Einstellung von uns allen. Und mittlerweile ist das hoffentlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass das ein essentieller Punkt ist und nicht nur ein Hobby. Klimaschutz ist einfach ein Must-Do. Mit unseren Filmen wollen wir eben inspirieren und Gedanken pflanzen, einen kleinen Schubser in die richtige Richtung geben. Dazu veranlassen tut uns unsere intrinsische Motivation, so bewusst wie möglich zu handeln. Ohne intrinsische Motivation kommt man in allen möglichen Bereichen im Leben, sag ich jetzt einmal, nicht so weit!

Bei POW haben wir ja einige Freerider:innen in der Athletes Alliance. Lernt ihr auch voneinander, wie man den Alltag im Profisport bewusst nachhaltiger gestalten kann?

Ja, auf jeden Fall! Das passiert auch oft im Herbst, wenn man auf den verschiedenen Filmfestivals mit unterschiedlichen Leuten zusammenkommt. Mit anderen Produzenten und Filmemachern, und sich austauscht, wie man Projekte effizienter und nachhaltiger gestalten kann. Genauso wie mit Freunden und Kollegen, mit denen man regelmäßig Skifahren geht. Es fängt beim Bilden von Fahrgemeinschaften an, wenn man überhaupt das Auto nimmt. Da habe ich auch die letzten Jahre gemerkt, dass es in Tirol super geht, gar nicht selbst zu fahren, sondern mit dem öffentlichen Verkehr in die Skigebiete zu kommen. Wir wählen auch gezielt Skigebiete aus, die öffentlich gut erreichbar sind. 

Gut, dann kommen wir schon zu meiner Abschlussfrage: Gerade ist August, was treibst du da so und, ganz wichtig, wie steht es um kommende Projekte? Ein klein wenig hast du uns schon erzählt, hast du noch einen Sneak Peek für uns?

Jetzt im August, und besonders bei einem Interview wie heute, wo es erstmals wieder in Richtung neuer Saison geht, kommen schon langsam die Gedanken an den Winter auf. Gerade bin ich aber ein bisschen am Relaxen daheim in Oberösterreich. Wenn ich das nicht tue, bin ich gerade meistens in den Bergen unterwegs. Irgendwo am Radlfahren, am Wandern, und so viel in der Natur wie möglich. Was kommende Projekte betrifft, sind wir gerade in der Mitte von einem Zwei-Jahres-Projekt, das heißt, wir haben letzte Saison bereits das erste Jahr abgeschlossen. Es wird, wie gesagt, eine Transalp durch ganz Tirol, nur zu Fuß und auf Ski. Wir haben letztes Jahr in Fieberbrunn angefangen und sind bis Steinach am Brenner gegangen, was ungefähr die Hälfte der Strecke ist. Dabei hat uns der Bayerische Rundfunk begleitet und einen Fernsehbeitrag zu unserem Projekt erstellt. Diesen Sneak Peek findet man in der Mediathek. Und ja, jetzt im Winter 2023 kommt dann der zweite Teil der Strecke, wo wir von Steinach am Brenner losgehen und das ganze bis zum Arlberg durchziehen. Da wird es auf jeden Fall sehr spannend, weil wir viel im Hochgebirge unterwegs sind, auf Gletschern unterwegs sind und mehrere Tage im Hochalpinen verbringen. Darauf freue ich mich schon irrsinnig!

Dann wünsche ich euch viel Erfolg bei der Mission. Ihr habt euch, wie man in früheren Videos sieht, auch gut darauf vorbereitet. Vali, vielen Dank für deine Zeit! Wir sehen uns bald einmal bei einem POW Stammtisch.

Ja, voll gern! Vielen Dank auch dir für deine Zeit. Und ja, Grüße an alle, die das lesen!

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Titelbild: © Malte Küper

Author: Thomas Obermair