Interview: POW X Bahn zum Berg

Neues Jahr – neuer POW Partner! Wir freuen uns sehr, ab jetzt mit dem Öffi-Tourenportal „Bahn zum Berg“ zusammenzuarbeiten. Auf Bahn zum Berg teilen Bergsportbegeisterte verschiedenste Touren, die allesamt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. Lena von POW.AT traf Veronika Schöll und Peter Backé, zwei der Gründer:innen, zum Interview:

Bahn zum Berg – was ist das eigentlich?

Veronika Schöll: Bahn zum Berg hat als Blog begonnen und ist mittlerweile das größte Öffi-Tourenportal in Österreich. Das Portal wird vom gleichnamigen Verein betrieben. Wir sind mittlerweile etwa 50 Autor:innen und machen das alle ehrenamtlich. Unsere Hauptaufgabe ist es, dieses Tourenportal mit Touren, die öffentlich erreichbar sind, zu befüllen.

Bei uns gibt’s sowohl einfache Wanderungen als auch anspruchsvolle Bergtouren, Klettersteige sowie Bike- und Skitouren. Es sind auch viele Mehrtagestouren  und Überschreitungen zu finden. Vor allem bei letzterem ist die öffentliche An- und Abreise natürlich von großem Vorteil, weil man nicht mehr zum geparkten Auto zurück muss. 

Uns geht es primär darum, nicht zu raunzen und zu sagen „Ah geh, da komm ich mit Öffis nicht hin“- sondern so wie ihr von POW das mit der positiven Verstärkung beim Thema Klimaschutz macht, so möchten auch wir die Leute motivieren, vielleicht mal einen anderen, alternativen Weg einzuschlagen, und zwar mit der An- und Abreise durch öffentliche Verkehrsmittel. 

Findet man auf Bahn zum Berg auch die jeweils passende Öffi-Verbindung?

Peter Backé: Unser Portal zeigt den User:innen zudem die Öffi-Verbindung mit bis zu einer Woche Vorschau an. Das ist wichtig, denn so kann man sicher sein, dass die Verbindung auch wirklich funktioniert. Viele Öffi-Fahrpläne variieren ja je nach Tag (Werktag/Wochenende/Schulferien) oder auch nach Saison. Wir wollen bei Bahn zum Berg eben ein möglichst frustfreies Erlebnis anbieten und wir wollen zeigen, dass der Ausflug eigentlich auch schon mit der Anreise beginnt. Öffi-Fahren bedeutet auch immer ein bissl „runter vom Gas“ im doppeldeutigen Sinne – unserer Meinung nach geht Öffi-Fahren nämlich auch mit Entschleunigung einher. 

bahn-zum-berg.at ist mobile-tauglich und funktioniert somit auch unterwegs einwandfrei. © 2021 Bahn zum Berg. Foto: Veronika Schöll

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, selbst ein Tourenportal zu gründen?

Veronika Schöll: Gegründet hat Bahn zum Berg eigentlich unser Vereins-Obmann Martin Heppner. Der hat 2015 sein Auto verkauft. Er hatte sich damals ausgerechnet, dass ihm sein Auto im Grunde sehr viel Geld kostet und er wollte auch einfach mal ausprobieren, wie das Leben ohne Auto so ist. Man muss dazu sagen, dass er mit seiner Familie  in Wien wohnt, da ist das natürlich auch etwas einfacher als am Land. Er hat dann aber jedenfalls damit begonnen, einen Blog über seine Erfahrungen zu schreiben. Im Laufe der Zeit wollte er dieses Projekt aber nicht mehr nur alleine angehen, sondern hat sich Gleichgesinnte gesucht, wie etwa den Peter, den er in einem Forum einfach mal angeschrieben hat. 

Peter Backé: Genau, also ich bin in dem Bereich der Öffi-Touren auch schon länger drin und habe dazu auch ein Buch geschrieben („Mit Bahn und Bus in die Wiener Hausberge“). Und der Martin, die Veronika und ich haben uns dann zusammengetan und diesen Blog gemeinsam mit Beiträgen befüllt. Nach und nach sind immer mehr Touren zusammengekommen und so haben wir uns entschieden, den Verein „Bahn zum Berg“ zu gründen und die Website in ein umfassendes Tourenportal umzuwandeln. 

Outdoorsport und Klimaschutz – wie gehört das für euch zusammen? 

Veronika Schöll: Das ist für mich eigentlich das Naheliegendste: Dass ich Genuss in der Natur und Outdoorsport mit einer klimafreundlichen Anreise verbinde. Das gehört für mich einfach zusammen. 

Peter Backé: Fakt ist, die Anreise macht die meisten Prozent der CO2-Belastung eines Ski- oder Wandertags aus. Und für mich ist es so: Man kann nicht auf der einen Seite die Natur lieben, schätzen und genießen und auf der anderen Seite nicht auch zumindest ein bissl einen Beitrag zu leisten, das Ganze zu erhalten.

Umweltfreundlich, bequem und auch ein bisschen Abenteuer: Bahn zum Berg Mitbegründerin Veronika Schöll reist zu Bergabenteuern öffentlich an. © 2021 Bahn zum Berg. Foto: Martin Heppner

Seid ihr immer schon Öffi-Fahrer? 

Veronika Schöll: Also bei mir ist es tatsächlich so, dass ich nie den Führerschein gemacht habe. Und das war auch die richtige Entscheidung, mir war es nämlich nie wichtig, ein Auto zu haben bzw. damit fahren zu können. Ich habe mir zunächst die Touren und Öffi-Verbindungen einfach selbst zusammengesucht. Das war anfangs noch sehr mühsam, aber man lernt dann, damit umzugehen. Das Herumtüfteln hat auch ein bissl was von Abenteuer, finde ich. Der Umweltaspekt ist dann natürlich auch noch dazu gekommen und das ist nochmal ein Grund mehr, wieso ich mir auch in Zukunft kein Auto zulegen werde.

Peter Backé: Ich habe seit 2004 kein eigenes Auto mehr. Ich habe auch in Wien gewohnt und als mein PKW kaputt ging, habe ich es einfach mal ohne versucht und es hat geklappt. Ich kann zwar auf ein Auto in meinem Familienkreis zurückgreifen, aber das mache ich nur selten. Natürlich fahre ich auch manchmal bei anderen im Auto mit, das ist klar, aber die meisten Touren mache ich öffentlich.

Zu den Tourenbeschreibungen bin ich vor gut 10 Jahren eigentlich durch den Nationalpark Gesäuse gekommen. Die Leute vom Nationalpark haben damals in ihren Publikationen erwähnt, dass es doch so traurig sei, dass bei ihnen fast nix geht mit Öffis. Ich habe ihnen dann rund 20 Touren in ihrem Gebiet geschickt, die trotz der relativ schlechten ÖV-Anbindung auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. (Inzwischen hat sich die Situation durch das Gesäuse-Sammeltaxi deutlich verbessert, die Finanzierung hängt jedoch immer wieder am seidenen Faden.) Die Leute vom Nationalpark waren begeistert und haben meine Empfehlungen auf ihre Webseite und in die Nationalpark-Zeitschrift genommen. Dadurch kam mir die Idee für mein Buch und ich freue mich sehr, dass dieses Thema, das damals wirklich noch ein Nischenthema war, heute auch immer mehr im Mainstream ankommt. Ich denke, viele sind halt einfach Autofahrer aus Gewohnheit und mich freut es, wenn wir auch diese Leute abholen und auf neue Ideen bringen können. 

Was sind für euch absolute Vorteile der öffentlichen Anreise? 

Veronika Schöll: Ich glaube, die Vorteile, die man sieht, sind sehr individuell. Bei mir ist’s so: Wenn man mit Öffis unterwegs ist, muss man zwar oft früher aufstehen, weil’s länger dauert, aber dafür kann ich im Zug dann herrlich weiterschlafen und frühstücken. Man hat auch die Möglichkeit, die voranstehende Tour nochmal gemeinsam durchzugehen. Man hat ein Klo dabei und man kann sich im Warmen umziehen, wenn nötig. Bei der Rückfahrt dasselbe: Man kann sich direkt ausruhen und/oder jausnen. Man steht nicht im Stau und kann sich auch ein Belohnungs-Bierchen gönnen. Also für mich ist das öffentliche Reisen insgesamt einfach entspannter. 

Peter Backé: Ja, so sehe ich das auch. Was beim Autofahren noch dazu kommt, ist die Parkplatzsituation. Es ist generell schon viel zu viel zugeparkt meiner Meinung nach und an den Hotspots bekommt man ja oft gar keinen Stellplatz mehr. Ein weiteres Argument für Öffis ist der Preis. Vor allem jetzt mit dem Klimaticket, das ja viele haben, um unter der Woche zur Arbeit zu fahren. Jetzt kann man auch seine Wochenendausflüge mit Öffis planen und das ist im Preis fürs Ticket quasi schon dabei. Umwelttechnisch ist die Situation ja klar – wer mit den Öffis unterwegs ist, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben – und dadurch kann man den Tag am Berg noch mehr genießen.

Das Angebot in Österreich ist gut, meint das Bahn zum Berg Team. Trotzdem seien Bus und Bahnverbindungen noch ausbaufähig. © 2021 Bahn zum Berg. Foto: Martin Heppner

Was sind Probleme im öffentlichen Verkehr? Was wünscht ihr euch?

Veronika Schöll: Ich wünsche mir, dass sich die Regierung an ihr Regierungsprogramm hält und es schafft, dass alle Gemeinden 365 Tage und stündlich wirklich öffentlich erreichbar sind. Und dass das Infrastrukturministerium auch mal den Freizeitverkehr als Wirtschaftsfaktor sieht. Weil das ist auch so eine Sache – ich sitze ganz oft alleine im Bus. Und das liegt wahrscheinlich nicht nur am Angebot, sondern auch an der Kommunikation, wie das beworben wird. Von den offiziellen Stellen aus geht es immer nur um den Pendlerverkehr, den Schulverkehr aber nie um den öffentlichen Freizeitverkehr. Aber auch bei den Anbietern, den Verkehrsverbünden, wünsche ich mir mehr Flexibilität und mehr Zusammenarbeit untereinander sowie mit den Nutzenden. 

Peter Backé: Zudem bräuchte es natürlich einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs bzw. auch eine Überarbeitung der Taktungen – das muss man sich im Einzelfall anschauen. Fakt ist, es gibt etliche Orte, die erreicht man gar nicht, oder nur im Sommer oder es gibt, für den Freizeitverkehr keine sinnvollen Taktungen. Ich bin mir sicher, da könnte man mit relativ wenigen, gezielten Maßnahmen schon ziemlich viel verändern.

Was ich aber noch anfügen möchte:  Sicher gibt es Situationen wo ein Auto bequemer ist, vor allem wenn man viel Equipment dabei hat, zum Klettern z.B. oder so. Wir von Bahn zum Berg verteufeln die Autofahrer ja auch nicht, wir wollen die Leute nur dazu inspirieren, ihre Gewohnheiten zu überdenken. Aber klar, es gibt auch Unternehmungen, die ohne Auto schlicht nicht möglich sind. Da sind dann Fahrgemeinschaften eine gute Lösung. 

Was sind eure persönlichen Lieblingstouren, die öffentlich erreichbar sind?

Peter Backé: Im Bereich Skitouren mag ich ganz besonders den Schneeberg, der zweifellos der Parade-Skitourenberg im Osten Österreichs ist. Der Bericht, den ich sehr empfehlen kann, ist zwar nicht von mir. Von Wien gut und ohne großen Zeitaufwand erreichbar: https://www.bahn-zum-berg.at/schneeberg-co/traumabfahrt-breite-ries/

Veronika Schöll: Bei mir ist fast immer die letzte Tour, die ich gemacht habe, meine Lieblingstour. Letztens habe ich eine Schneeschuhtour auf den Hochanger gemacht – meiner Meinung nach der perfekte Aussichtsberg: https://www.bahn-zum-berg.at/muerzsteger-alpen/ueberschreitung-mit-aussicht/

Oft ist es auch superschön, wenn ich alleine unterwegs bin und mich treiben lassen kann – wie hier auf der Rax zum Beispiel: https://www.bahn-zum-berg.at/rax-co/rax-ueber-den-altenbergsteig/

Auf den Geschmack gekommen? Das Bahn zum Berg Team freut sich über ehrenamtliche Autor:innen. Mehr Infos dazu gibt’s hier.

Header-Bild © 2021 Bahn zum Berg. Foto: Martin Heppner

Author: Lena Öller