Warum ist nachhaltige Mobilität mehr als Klimaschutz?

Beim Wort Mobilität denken wir größtenteils an CO2-Ausstoß. Vor allem auf dem Weg zum Skisport plagt viele das schlechte Gewissen ihres ökologischen Fußabdrucks wenn sie mit dem Auto anreisen. Immerhin macht die Anreise zum Skifahren alleine mehr als 70% der CO2-Emissionen eines Skitags aus[1]. Schnell wird klar: Wenn wir auch in Zukunft noch Rodeln, Pistenwedeln, im Park Shredden oder im Pow surfen wollen, müssen wir auch unsere Mobilität nachhaltiger gestalten. Das schützt nicht nur unser Klima, sondern bereichert unser Leben gleich in mehreren Hinsichten.

Warum müssen wir über mehr als Klimaschutz reden?

Nachhaltige Verkehrsmittel wie Fahrräder, Fußverkehr, Züge und Busse verbrauchen pro Fahrt und Person weniger Energie als der Autoverkehr, sind leiser und stoßen weniger Treibhausgase und andere umweltschädliche Stoffe aus. Jedoch ist Klimaschutz nicht der einzige Grund, warum wir uns für eine nachhaltigere Mobilität einsetzen. Denn, mal ehrlich – wir alle wissen zwar, dass unser Mobilitätsverhalten zum Klimawandel beiträgt, der praktische Bezug ist aber schwer zu begreifen: CO2 ist unsichtbar und die Folgen des übermäßigen Ausstoßes zeigen sich nicht unmittelbar nach einer Autofahrt, sondern schleichend und mit großen Unterschieden im globalen Kontext. Wer denkt bei der Planung eines Skitags denn automatisch daran, dass die Autofahrt das Abschmelzen des Gletschereises im Himalaya beschleunigt? Das Wasser des abfließenden Indus ist übrigens die Grundlage für die weltweit größte Bewässerungswirtschaft und somit für 270 Millionen Menschen in Indien, Pakistan und China, die bereits seit Jahren um ihre Existenz fürchten[2]. Das ist ein ernstzunehmendes Problem aber für eine sofortige Verhaltensänderung in Österreich doch etwas weit weg. Irgendwie fehlt uns also ein Gefühl der Dringlichkeit, um unsere Mobilität endlich effektiv umzukrempeln.

Nachhaltige Mobilität ist fair für alle

Wenn wir Mobilität aber nicht nur als Mittel zum Klimaschutz sehen, sondern ihre Wirkungen in allen Lebensfeldern betrachten, zeigt sich warum wir sie so dringend brauchen und nachhaltig gestalten müssen. Denn – Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Durch die räumliche Trennung von Wohnen, Arbeit, Freizeit und der Versorgung mit Lebensmitteln und gesundheitlichen Dienstleistungen entsteht die Notwendigkeit, dass wir uns von A nach B bewegen. Mobilität verschafft uns also Zugang zu unseren täglichen Aktivitäten. Wenn alle Menschen dieses Bedürfnis gleichermaßen erfüllen können, trägt das zu einer gerechten Gesellschaft bei. Dann können sich Kinder frei und sicher im Straßenraum bewegen und selbstständig entwickeln. Schüler*innen gelangen zum Skifahren oder Gitarreunterricht ohne auf ihre Eltern angewiesen zu sein. Menschen im arbeitsfähigen Alter können ihre Arbeit nach ihren Fähigkeiten und Zielen aussuchen. Familien können die Verwandtschaft auch ohne Auto besuchen und Senioren ihre Einkäufe und Arztbesuche eigenständig erledigen. Damit alle Menschen gleichermaßen mobil sein können, ist es notwendig, dass die entsprechenden Angebote verfügbar sind und sich alle Einzelpersonen die Mobilitätsangebote leisten können. Das Privatauto ist eines der teuersten Verkehrsmittel und kann nicht von allen Menschen bedient werden – deswegen müssen die Alternativen – Öffentlicher Verkehr, Radverkehr und Fußverkehr – zugänglich und gut ausgebaut sein, sodass wir nicht auf die Benutzung eines Autos angewiesen sind

Copyright: Daniel Bear/Ibk Powder People

Umweltfreundliche Mobilität kostet weniger

Neben den persönlichen Kosten, die wir als Einzelpersonen tragen, muss auch der Staat für die Bereitstellung von Mobilität zahlen. Einerseits müssen Autobahnen, Straßen, Brücken, Busse, Bahnhöfe, Gleise, Kreuzungen und Radwege zur Verfügung gestellt werden. Auf der anderen Seite entstehen als Folge von Mobilität Kosten durch Verkehr: Stau, Lärm, und Abgase – und auch Unfälle. Verschiedene Verkehrsmittel erzeugen verhältnismäßig unterschiedlich viele solcher negativen Folgen, für die meistens nicht deren Erzeuger die Kosten tragen: Die Luftverschmutzung kostet unserem Gesundheitssystem viel Geld, schwarz gefärbte Häuserfassaden müssen von den Eigentümern neu gestrichen werden, Grundstücke verlieren an Wert wenn neben ihnen eine Bundesstraße gebaut wird, für Lärmschutzwände und Straßenerneuerung zahlt der Staat. Diese „externen Kosten“ werden von der gesamten Gesellschaft getragen – ungeachtet dessen, wer sie verursacht. In Österreich belaufen sich diese Folgekosten vom Verkehr auf jährlich 13 Milliarden Euro. Ein höherer Anteil klimafreundlicher Verkehrsmittel verringert die volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrs, die über unsere Steuern finanziert werden. Radfahren senkt beispielsweise zahlreiche gesundheitliche Risiken, erhöht die Luftqualität, erzeugt fast keinen Lärm, und beansprucht wenig Platz auf der Straße, der zudem weniger wartungsintensiv ist als Straßen für den Kfz-Verkehr. Je mehr Radfahrende auf den Straßen unterwegs sind, desto sicherer wird auch der Verkehr. Nachhaltige Mobilität ist also klimafreundlich, sozial gerecht, und bringt uns wirtschaftliche Vorteile.

Mobilität fürs Miteinander

All die oben genannten Vorteile von nachhaltiger Mobilität wurden auf verschiedenste Weisen untersucht und erforscht – aber wie sieht nachhaltige Mobilität denn nun praktisch in unserem Alltag aus? Seit Corona können wir uns autoleere Straßen besser vorstellen. Vielleicht ist manchen zu der Zeit auch aufgefallen, wie anders die zwischenmenschliche Atmosphäre auf der Straße sein kann? Ein Lächeln ist auf dem Fahrrad oder zu Fuß leicht mit anderen Menschen auszutauschen. Im Auto hingegen treten die negativen Eigenschaften vieler Menschen eher zu Tage. Studien belegen, dass das Stresslevel unter Menschen, die mit dem Auto pendeln unter allen Verkehrsmitteln am höchsten, und die freundliche Interaktion mit anderen Menschen am niedrigsten ist. Also – mehr Radeln ist weniger Stress und mehr Freunde. Eine einfache Rechnung!

Copyright: Andreas Kohn

Nachhaltige Mobilität als Erlebnis

Auch beim Wintersport – egal ob Snowboarden, Skitouren, Rodeln oder Langlaufen – kann nachhaltige Mobilität uns bereichern. Wir gehen nach draußen, um etwas zu erleben – bei der Mobilität verlassen aber nur die wenigsten ihre Komfortzone. Wenn wir aber mal den Zug oder Bus für unsere Bergerlebnisse nutzen verfolgen wir auch hier vielmehr die Prinzipien, die uns allgemein nach draußen bringen: Minimalismus, Abenteuer, und Freiheit. Mit der Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel sind wir nämlich nicht mehr daran gebunden, unser Auto morgens mühevoll aus dem Schnee zu graben, tagein tagaus dafür zu zahlen, oder an den Ausgangspunkt unserer Tour zurückzukehren. Und dann gibt es da noch die abenteuerhungrigen Menschen, die sich den ganzen Weg vom eigenen Bett auf den Berggipfel aus eigener Kraft verdienen wollen: Cody Townsend und POW Film Award Gewinner Andreas Køhn zeigen uns, wie sie mit dem Rad zu ihren Skitourenzielen unterwegs sind. Nachhaltige Mobilität ist also nicht nur für unsere Umwelt und Mitmenschen bereichernd, sondern vor allem für uns persönlich.

Fazit

Auch Nachhaltigkeit im Allgemeinen bezieht sich nicht nur auf das Klima, sondern umfasst gleichermaßen soziale und wirtschaftliche Aspekte – und vor allem mehr Lebensqualität. Ein komplexes System also, aber dafür werden wir und unsere Mitmenschen gleich in mehreren Hinsichten für nachhaltiges Verhalten belohnt. Also lasst uns zusammen dafür sorgen, dass unser Alltag, unsere Skiorte und unsere Bergwelt langfristig unser Leben bereichern können. Ihr fragt euch wie? Auch bei der Mobilität gilt: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Je mehr Leute in den Bussen sitzen, desto mehr Busverbindungen wird es geben. Je mehr Leute mit Zügen fahren, desto moderner werden unsere Bahnhöfe. Je mehr Fahrräder unterwegs sind, desto mehr Straßenraum, sichere Abstellanlagen und Fahrradpumpen werden dafür bereitgestellt. Jeder Schritt zählt. Und jeder Kilometer.


Titelbild: (c) Daniel Bear/Ibk Powder People

[1] National Geographic Juli 2020, „Lebensadern in Gefahr“, Alice Albina, Brendan Hoffman

[2] Alpine Pearls

Author: Verena Engel