7 Lektionen, die ich auf einer Skitourenreise mit Öffis gelernt habe
Der POW Mobility Month fordert dazu auf, den eigenen Fußabdruck durch nachhaltige Mobilität zu reduzieren – vor allem auch beim Skisport. In Österreich gibt es viele Skigebiete und Skitouren, die per Bus und Bahn erreicht werden können. Einer umweltfreundlichen Anreise steht also eigentlich nichts im Weg. Seit einigen Jahren versuche ich nun, immer mehr meiner Touren mit den Öffis zu erreichen. Diesen Winter aber packte mich die Sehnsucht nach der Ferne: ich wollte fremde Sprachen, einsame kleine Hütten, unbekannte Täler und unverspurte Hänge. Das alles sollte aber auch mit meinem Gewissen vereinbar sein – die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wurde daher zur obersten Priorität bei der Planung erklärt. Wie das funktioniert hat und was ich daraus gelernt habe, versuche ich hier zu ergründen.
1. Wo ein Wille, da ein Weg – oder wo ein Weg, da ein Tourengebiet?
Europa hat an Skitourengelände viel zu bieten – von den Pyrenäen über den Alpenkamm bis hin zum wilden Balkan gibt es Berge, bei deren Anblick meine Tourenski Herzchenaugen bekommen. Bei dieser Vielfalt ein Tourengebiet auszuwählen war für uns eine echte Herausforderung. Zwei Kriterien haben die Auswahl aber etwas erleichtert: Ausreichend Schnee sollte es geben und dazu eine Bus- oder Zugverbindung. Es wurden also Schneeberichte, Insta-Stories und Webcams gecheckt, das europäische Zugnetz studiert und Fernbuslinien recherchiert. Eine meiner Lieblingswebsiten, um verfügbare Verbindungen von Start zu Ziel zu suchen, ist übrigens Rome2Rio, bei spezifischen Angeboten und Buchungen helfen diese Websites. Für Infos zur „Letzten Meile“ kann auch eine Websuche nach Bergtaxis, Autovermietungen am Ziel oder ein Anruf bei Unterkünften vor Ort hilfreich sein. Nach dieser Recherche standen für uns mehrere Möglichkeiten im Raum. Die Entscheidung für ein Gebiet haben wir dann der Wettervorhersage überlassen.
2. Mut zur Lücke – wird schon passen!
Die 80/20-Regel war auch in unserer Reiseplanung präsent: Wir hatten inzwischen die Cottischen Alpen als Tourenziel ausgewählt und unseren Fernbus in die nächste größere Stadt in Italien, Cuneo, gebucht. Die 20 % der Planung, die noch fehlten – genaue Infos zur Busverbindung zu unserem Startpunkt zu finden – erwiesen sich aber als durchaus schwierig. Zumindest wussten wir, dass es einen Bus geben müsste. Mit dieser Info gaben wir uns schließlich zufrieden und nahmen uns vor, den Rest vor Ort herauszufinden. Eine gute Gelegenheit, um Zuversicht, Optimismus und Vertrauen zu üben. Zur Not würden wir uns ein Taxi nehmen.
3. Fahrzeit ist Quality Time
Eine Woche später saßen wir im Fernbus nach Cuneo, während die neulich eingeschneite Winterlandschaft vor den Busfenstern vorbeizog. Am nächsten Tag würden wir unsere Mehrtagesskitour starten, also nutzten wir die Zeit noch für letzte Planungen entsprechend dem aktuellen Wetter- und Lawinenlagebericht. Unsere Sitznachbarinnen wussten über die lokalen Busverbindungen leider auch nicht mehr als wir. Dafür verrieten sie uns, wo die beste Pizza der Stadt zu finden sei. Danach blieb ausreichend Zeit zum Entspannen, während unser Busfahrer sich wegen einem kleinen Crash mit der Polizei auseinandersetzen musste – ein Auto hatte den Bus leicht geschrammt.
4. Menschen helfen, wenn sie können
Nach der besten Pizza von Cuneo und einer Nacht im AirBnb ging es früh morgens zum Bahnhof. Die Bahnhofsinfo konnte uns zwar auch nicht sagen, ob unser Bus fahren würde, zumindest aber wo er (und alle anderen Busse) abfahren sollten. Also warteten wir dort brav, bis der Bus mit der Nummer 91 einfuhr und uns einpackte. 40 Minuten später stiegen wir in einer kleinen Stadt aus – entgegen der Empfehlung der Busfahrerin. Am anderen Umsteigepunkt müssten wir nicht so lange in der Kälte warten, meinte sie. Wir dankten für die Hilfe und versicherten ihr, dass es okay sei – wir liebäugelten ja schon mit dem netten Café gegenüber. Zeit für ein schnelles italienisches Frühstück: Espresso und Cornetti! Wenig später bekamen wir vom nächsten Busfahrer Tipps darüber, wie wir am besten zum Ausgangspunkt unserer Tour kämen. Der Bus fuhr wegen des vielen Neuschnees (juhu!) nämlich die letzten 10 km nicht dorthin (oh…). Bei der Endstation zeigte er uns einen kleinen Laden mit „allem“: Bergkäse, Nusskuchen, Skitourenkarten, Postkarten und Espresso. Auch die Besitzerin und ihre Tochter waren bemüht, uns einen Weg für die letzten Kilometer zu zeigen. Es schien, als kämen wir nicht drum herum, den Rest auf Ski zurückzulegen – das Erreichen des ersten Biwaks wäre dann eher unwahrscheinlich. Zu unserer Erleichterung fanden wir in dem entlegenen Dorf aber einen Hütten- und Hundebesitzer, der uns samt Ski und großen Rucksäcken in seinem Fiat Panda zum Ziel brachte. Auch ihm lag der Erfolg unserer Mission am Herzen und er versorgte uns mit letzten Infos zur Wegfindung. Kurz vor Mittag hatten wir Spanisch, Französisch, und Italienisch geübt und marschierten mit ein wenig Koffein im Blut und Schnee unter den Fellen in den weißen Wald.
5. Mehr Flexibilität ohne Auto
Wir hatten es geschafft – wir schliefen in einsamen Hütten, durchquerten unbekannte Täler und zeichneten sanfte Spuren in unberührte Hänge. Hier oben gab es keinen Empfang, keine aktuellen Infos zum Wetter- und Lawinenlagebericht und keine schnelle Hilfe im Notfall. Wir gruben ein paar Schneeprofile, um uns selbst ein besseres Bild von der Schneedecke zu machen. Die letzten Tage hatte es immer wieder geschneit und stark gewindet. Defensive Entscheidungen waren angesagt! Um unsere Tour wie geplant weiterzugehen, hätten wir einen steilen, eingewehten Pass im Whiteout überqueren müssen. Wir entschieden uns dagegen. Die sicherere Alternative würde uns am Ende unserer Tour in Frankreich ausspucken. Da wir nirgendwo ein Auto geparkt hatten, zu dem wir zurück mussten, fiel uns diese Entscheidung nicht allzu schwer. Es brauchte nur etwas Nusskuchen als Trost.
6. Autostoppen ist ein Verkehrsmittel
Es gibt Gegenden, da fährt einfach kein Bus. In so einem Dorf sind wir gelandet. Erst einmal bestellten wir uns im Innenhof eines rustikalen Chalets Kaffee, Bier und Limo. Wir blickten zurück in das schöne Tal, in dem wir die letzten sechs Tage verbracht hatten. Es war ein Samstag mit herrlichen Tourenbedingungen, die viele Tagesgäste hierher lockten. Auf dem Weg zu ihren Autos konnten wir sie abfangen und nach einer Mitfahrgelegenheit fragen. Wir mussten nur noch ein bisschen in der Sonne chillen, bis sie von ihren Touren zurückkamen. Nun wussten wir ja, dass Ski und Gepäck locker in kleinen Autos verstaut werden können. Da es am Parkplatz nur eine begrenzte Zahl von Autos gab, die heute noch das lange Tal in Richtung Hauptstraße fahren würden, und die meisten bereits in Gruppen unterwegs waren, beschlossen wir uns aufzuteilen. Das Rennen, wer zuerst wieder in Cuneo ankommt, hat leider nicht mein Team gewonnen. Dafür haben sich viele Fahrer:innen über unsere Bekanntschaft und Gespräche gefreut. Und auch wir haben auf diesen kurzen Fahrten ein paar inspirierende Personen getroffen.
7. Mailand ist auch ganz nett
Eigentlich füllt mich der Bergsport so sehr aus, dass ich gar nicht mehr an Städtereisen denke. Wenn ich durch Zufall in einer fremden Stadt lande, finde ich die neuen Inputs aber meistens doch sehr bereichernd. Auf unserem Heimweg hatten wir einen fünfstündigen Aufenthalt in Mailand – was für ein netter Zufall! Unser Gepäck konnten wir gegen eine kleine Gebühr in einem Restaurant ablegen. In den folgenden Stunden haben wir einer Straßenkünstlerin beim Tanzen zugesehen, die neueste Mode von Passant*innen präsentiert bekommen, uns an einem belebten Platz unter spielende Kinder und Pärchen gemischt und uns bei einer Runde Backgammon Sonne ins Gesicht scheinen lassen, Eis gegessen, und – Espresso getrunken. Gar nicht mal so übel!
Fazit
Vielleicht können manche Reisen nicht eins zu eins vom Auto auf Bus und Bahn übersetzt werden. Anreise und Mobilität stehen erst einmal im Vordergrund und eventuell ändert sich der Charakter der Tour ein wenig. Es ist aber erstaunlich Vieles möglich. Uns als Gruppe hat es zusammengeschweißt, gemeinsam nach einem Weg zu suchen – bei der Planung und vor allem auf der Reise. Die vielen kleinen Erfolge, die wir feiern konnten, trugen zu einer fröhlichen Stimmung bei. Für mich war das Gesamterlebnis intensiver und facettenreicher als ein Urlaub mit dem Auto. Wir waren zwar ein bisschen abhängiger von der lokalen Infrastruktur und der Hilfsbereitschaft anderer Menschen, aber dadurch konnten wir viel tiefer in die Umgebung und die Kultur der Orte eintauchen.