Verzweiflung als Legitimation von Straßenblockaden?
Wenn sich Menschen mit Joghurt überschütten lassen. Wenn sich Menschen beschimpfen und körperlich angreifen lassen, ohne sich zu wehren. Dann stellt sich einem schon die Frage, was sie antreibt, sich dem regelmäßig auszusetzen. Und natürlich auch, weshalb sie überhaupt diese Aggressionen erfahren müssen. Aber müssen sie das? Dürfen sie das überhaupt?
Aggressives Verhalten rührt aus den Urinstinkten aller Lebewesen, als Abwehr in Angstsituationen oder um die eigenen Interessen zu schützen. Ob Aggression eine gute Methode ist, sei dahingestellt. Nicht alle Menschen wählen sie, ein Beispiel sind die “Klimakleber”. Ihrer Angst treten sie mit Mut entgegen – heldenhaft? Sie bringen ihren Standpunkt zu Maßnahmen gegen die Klimakrise friedlich ein. Konfrontativ, mit störender Wirkung des Alltags anderer. Diese Störung der individuellen Freiheit erachten viele als ungerecht, woraus oftmals Aggressionen resultieren. Emotionen, die nicht überraschend sind und in der öffentlichen Diskussion wenig Aufmerksamkeit erhalten, wodurch sie in gewisser Weise legitimiert werden.
Ungerecht behandelt fühlen sich aber auch die Menschen, die durch das Ankleben auf Straßen im Berufsverkehr auf ihre Forderungen aufmerksam machen. Sie fühlen sich im Stich gelassen, und zwar von der Politik. Betrachtet man es etwas genauer, spießen sich zwar im Moment die Interessen der im Stau der Autos Wartenden und der an der Straße Klebenden, sie werden aber alle gemeinsam im Stich gelassen. Denn seit Jahrzehnten wird politisch nur wenig gegen die hinlänglich bekannten Treiber und Folgen des menschlich befeuerten Klimawandels unternommen. Trotz verschiedenster Formen von Klimaaktivismus inklusive Massenprotestwellen. Trotz den eindeutigen Erkenntnissen der Wissenschaft – Ob diese in der Kommunikation ihres Wissens bisher nicht der Dringlichkeit gerecht wurde?
“Wissenschaft, in dieser Situation, muss raus aus dem Hörsaal!”
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU, in Bezug auf die derzeitige Klimakrise, Ö1 (9:12)
Die Folgen der rapiden Erderwärmung existieren nicht mehr nur auf Papier, sondern sind spürbar. Die Aussichten auf Besserung sind schlecht, der Handlungsraum wird von Tag zu Tag kleiner. Angesichts dessen treibt es viele Menschen in die Verzweiflung. Legitimiert das die Störung der Freiheit von Anderen? Eine Mehrheit der Politik sagt nein, demokratisch gesehen gilt das gleichermaßen für die Bevölkerung. Die Politik greift aber auch weiterhin nicht zum einfachsten Mittel, diesen Protest zu beenden, wirksame und einfache Maßnahmensetzung gegen die Klimakrise, und konterkariert damit die Mehrheitsmeinung. Politisches “business as usual” gibt dem Protest der “Letzten Generation” recht, ebenso die Wissenschaft, immer größer werdende Solidarität und die Geschichte anderer Protestbewegungen.
Setzen wir uns als Protect Our Winters Austria deshalb auch vor laufende Motoren, die von gestressten Pendler:innen gesteuert werden, im Frühverkehr auf die Straße und blockieren diese? Nein, denn Klimaaktivismus muss divers bleiben, um alle Menschen zu erreichen. Denn auch die Bevölkerung ist bunt gemischt, besitzt verschiedenste Interessen und befindet sich in unterschiedlichsten Lebensrealitäten. Unsere Form des Protestes bleibt eine andere. Wir werden unseren Mut weiterhin in Bildungsarbeit, Gespräche mit Vertreter:innen verschiedenster Interessen und politisch motivierte Kampagnen zum Thema Klimaschutz investieren.
Du fühlst dich auch im Stich gelassen? Verwandle negative Gefühle in Mut und werde aktiv in der Klimabewegung! Sie braucht deine Unterstützung mehr denn je, auf welche Art und Weise auch immer.
Titelbild: Eine Gruppe Mütter schließt sich aus ihrer Verantwortung ihren Kindern gegenüber einer Störaktion der Letzten Generation in Wien am 14. Mai 2023 an. © Letzte Generation