Warum Unsere Almen für Klimaschutz wichtig sind
Der Almwirtschaftliche Verein unterstützt im Rahmen seiner Informationsoffensive www.unsere-almen.at die Forderungen von POW für mehr Klimaschutz in der Bergcommunity. Als Interessenvertretung der Almbauern und -bäuerinnen sowie als Kommunikator rund um das Thema Alm als Kulturerbe und Biodiversitätshotspot, sind Unsere Almen ein wichtiger Partner in der Bewusstseinsbildung.
Peter Fuchs trägt als Content- und Projektmanager bei Agrarmarketing Tirol die Botschaft von Unsere Almen nach außen. In diesem Blogartikel erklärt er, welch wichtige Rolle die Almen in der Bergcommunity spielen und warum der Erhalt der bewirtschafteten Almflächen für eine klimafitte Zukunft essentiell ist.
“Die Almwirtschaft ist die historisch älteste und bis heute wichtigste Infrastruktur am Berg.”
Das kommt dir übertrieben vor? Dann möchte ich dir folgende Frage stellen: Wann bist du zuletzt auf einen Berg gestiegen, hast eine Wand durchklettert oder eine Skitour unternommen, ohne dabei Almgebiet durchquert zu haben? Ohne auf einem Almweg gefahren, gegangen oder geradelt zu sein, um zum eigentlichen Ausgangspunkt deiner Tour zu kommen? Ohne eine Almhütte passiert zu haben und vielleicht sogar auf einer eingekehrt zu sein, weil schließlich nicht überall Schutzhütten alpiner Vereine stehen?
Unsere Almen sind nicht weniger als der Schlüssel, der uns allen überhaupt erst die Tür zum Berg aufsperrt. Ohne unsere Almen stünden wir überall im Alpenraum buchstäblich im Wald. Der Wald war es nämlich, der sich seit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren flächendeckend von den Tallagen bis über 2000 m hinauf breit gemacht hat. Die Almweiden, die wir heute dort vorfinden und oft genug fälschlicherweise für Natur halten, wurden vielmehr erst von der Almwirtschaft geformt, geschaffen und werden auch nur durch diese erhalten.
Die Almwirtschaft erhält das alpine Landschaftsbild und die Artenvielfalt
Wenn ich sage „Almwirtschaft“, dann meine ich meist nicht die im touristischen Sinn bewirtschaftete Alm – so sehr wir diese als Einkehrort und Orientierungspunkt auch schätzen mögen und nutzen dürfen. Was ich eigentlich meine, ist die landwirtschaftlich genutzte Alm. Es sind die Weidetiere und die Menschen, die eine Alm ausmachen. Ohne dieses sich seit Jahrhunderten etablierte Doppelgespann würde innerhalb weniger Jahrzehnte alles verschwinden, was heute Alm ist – und damit die unserem Auge und Gemüt so wohltuende und ökologisch wertvolle Almlandschaft.
Wildbiologie und Ökologie haben die Alm längst als europäischen Hotspot der Biodiversität erkannt. Ohne Kuh und Co würde dort zunächst für einige Jahrzehnte Buschwerk wachsen, bis sich danach der Wald breitmachen würde. Zahlreiche Pflanzen, Insekten und anderes Getier würden dadurch ihren Lebensraum verlieren. Vieles, was in Europa kreucht und fleucht, tut das heute nur noch in der Höhenluft unserer Almen.
Intakte Almen betreibt aktiven Erosions- und Lawinenschutz
Über der Waldgrenze und überall, wo es so richtig steil ist, stemmen sich vor allem Schafe gegen großflächiges Erodieren. Durch das regelmäßige Abweiden der Gräser halten sie das Wurzelwerk vital und den Aufwuchs kurz, außerdem befestigen sie den Boden mit ihren kleinen Hufen. Wo Schafe nicht länger gealpt werden, steigt die Erosions- und Lawinengefahr.
Auf Skitouren in steilen Hängen begegnen wir immer öfter Gleitschneerissen, sogenannten Fischmäulern. Denn auch Gleitschneelawinen treten häufiger auf, weil sich das hoch aufgeschossene Gras umlegt und damit eine perfekte Rutschbahn bildet. Hat sich der Schnee an diesen hohen Gräsern festgefroren, reißt im Frühjahr das Gewicht der durchfeuchteten Last die dünne Grasnarbe mitsamt den Wurzeln ins Tal. Das übrig gebliebene Erdreich braucht in der alpinen Zone dann Jahrzehnte bis wieder „Gras über die Sache“ gewachsen ist, also bis sich eine Humusschicht aufbaut, die der um sich greifenden Erosion Einhalt gebietet.
Und: Von allein baut sich leider oft gar nichts auf. Dazu bräuchte es zunächst eine aktive Einsaat oder Grassoden, die ausgelegt werden müssen und dann eine ausreichende Anzahl an Schafen, die in Wechselwirkung mit der alpinen Vegetation das System wieder stabilisieren. Wo diese natürlichen Stabilisatoren fehlen, verstärken Starkniederschläge die Erosionsphänomene: Kleinere Blaiken (das sind durch den beschleunigten Bodenabtrag entstandene vegetationslose Flächen am Hang) von wenigen Quadratmetern im besonders steilen Gelände verbinden sich zu immer größeren Flächen – und so werden ganze Hänge kahl.
Wem diese Zusammenhänge bewusst sind, dem kann es nicht egal sein, dass im Jahr 2023 österreichweit 6000 Schafe weniger gealpt wurden als noch ein Jahr zuvor. Das drohende Verschwinden der Schafe von den Almen darf der Bergcommunity nicht egal sein!
Klimaschutz bedeutet Almen erhalten
Von den Schafen zu ihren Verwandten, den Ziegen. Diese charakterstarken Kleinwiederkäuer sind die klassischen „Almputzer“. Ihr Heißhunger macht auch vor dornigem Gestrüpp nicht halt. So verhindern sie Verbuschung bzw. machen diese sogar rückgängig und tragen somit aktiv zur Artenvielfalt und zum Klimaschutz bei. Ein Beispiel: In dieser Studie im Auftrag der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) heißt es: „[D)ie Grünerle (…) überwuchert jährlich mehrere hundert Hektaren aufgegebener Alpweiden und breitet sich damit drei- bis viermal schneller aus als der Wald. (…) Bedecken Grünerlen nur schon die Hälfte einer Fläche, wird die Pflanzenvielfalt halbiert, so dicht ist ihr Bewuchs. Aber auch Insekten und Vögel werden seltener. Zudem versauern die Böden. Und die Grünerlenausbreitung fördert den Klimawandel: Grünerlenbestände setzten 35-mal mehr Lachgas frei als Wiesen. Lachgas ist ein äußerst starkes Treibhausgas.“ Neben dem Erosionsschutz und der Sicherung der Biodiversität haben die landwirtschaftlich genutzten Almen also eine weitere, wichtige Funktion: Sie dienen als Schutz vor invasiver, teils schädlicher Vegetation. Christine Miller, eine renommierte Autorin von Fachartikeln zu Ökologie und Wildbiologie bringt es auf den Punkt: „Ohne Almwirtschaft kommt keine tolle Wildnis zustande, sondern artenarme Wüste.“ Das gesamte Interview mit Christine Miller gibt’s auf unsere-almen.at nachzulesen.
Schützen durch Nützen
Die Almwirtschaft betreibt dank ihrer Weidetiere und fleißiger Almhirt:innen und Senner:innen aktiven Naturschutz im Berggebiet. Dass es möglich ist, Nützen und Schützen unter einen Hut zu bringen, beweisen unsere Almen im Wesentlichen seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden von Jahren.
Ich behaupte nicht, dass uns das auf allen Almen immer bestmöglich gelingt. Sowohl Unter- als auch Übernutzung sind reale Probleme. Die Intensivierung der Landwirtschaft in den Tallagen greift mancherorts auch auf die Almen über – zum langfristigen Schaden der letzteren. Die eine oder andere Alm erliegt der Versuchung des schnellen Geldes aus Tourismus und Freizeitindustrie. Wobei an sich nichts gegen eine Mehrfach-Nutzung der Almen spricht, da diese oft Win-Win-Situationen ergibt. Und viele Maßnahmen der Übervermarktung hängen auch mit anderen Nöten und Sorgen der Alm zusammen – vor allem wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit vieler Almen.
Mit diesem Text möchte ich bewusst machen, welche Bedeutung die Almwirtschaft für unsere Berge hat. Dass Almwirtschaft und Klimaschutz keine gegensätzlichen Akteure, sondern Partner sind. Dass ein Teil von Klimaaktivismus auch sein kann, sich aktiv für die umweltverträgliche Nutzung von Almen einzusetzen – etwa im Rahmen eines Umweltprojektes, wie sie beispielsweise vom Alpenverein durchgeführt werden. Vor allem aber möchte ich, dass die Almlandschaft und die Menschen und die Tiere, die dort oben leben, mit Respekt behandelt werden. Denn sie sind die Grundlage, warum die Berge auch Naherholungs- und Erlebnisraum sein können. Also, ganz nach dem POW-Motto: Schütze, was du liebst – Schütze Unsere Almen.
Weitere Infos : https://www.unsere-almen.at/