Quo vadis, Klimaschutz? Teil 1
von Anna Siebenbrunner
Das Jahr 2020 ist noch jung, doch in unserem Land hat sich schon einiges getan: Österreich startet ins neue Jahr mit einer neuen Bundesregierung samt neuem Regierungsprogramm. Die grüne Regierungsbeteiligung weckt Hoffnungen, dass sich im Bereich Klimaschutz einiges tut. Wir von POW haben uns das Kapitel „Klimaschutz, Infrastruktur Umwelt & Landwirtschaft“ des türkis-grünen Regierungsprogramms genauer angesehen und für euch die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.
Als oberstes Ziel wird die Klimaneutralität bis 2040 genannt. Um dieses Ziel zu erreichen, verpasst sich Österreich ein CO2-Budget inklusive entsprechender Reduktionspfade, das auch mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist. Außerdem soll „ambitionierte und fortschrittsorientierte Klima- und Energiepolitik“ vorangetrieben werden. Das soll etwa durch das Eintreten für Anpassungen der EU-Zielsetzungen, für CO2-Zölle oder für ausreichende Finanzierung von Maßnahmen im Budgetrahmen gelingen. Der zuletzt stark kritisierte Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) soll konkretisiert werden und künftig als verbindliche Grundlage gelten.
Um all das zu erreichen, bedarf es wirkungsvoller Maßnahmen. Die designierte Bundesregierung schlägt dafür u.a. vor, ein eigenes Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Reduktionspfaden bis 2040 (und Zwischenzielen bis 2030) zu schaffen. Zudem soll die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden in puncto Klimaschutz verbessert werden, wozu auch Maßnahmen im Falle einer Nicht-Einhaltung der Vorgaben (z.B. Emissionspfade) zählen. Die Einhaltung der Richtlinien soll durch den verpflichtenden und unabhängigen Klimacheck erfolgen. Erwartungsgemäß wird für alle diese neuen zusätzlichen Vorhaben und Maßnahmen auch das dafür vorgesehene Budget erhöht.
Ein weiterer wichtiger Punkt im besagten Kapitel des Regierungsübereinkommens ist die sogenannte „klimaneutrale Verwaltung“. Damit sind verbindliche Klimaschutz-Richtlinien für alle Institutionen des Bundes gemeint. Darunter fällt beispielsweise die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand bei der thermischen Sanierung (3 % Sanierungsquote); Neubauten sollen im Niedrigstenergiehaus-Standard errichtet und – wo wirtschaftlich und technisch möglich – mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet werden; ab 2021 gilt 100 % Umweltzeichen-zertifizierter Ökostrom als Voraussetzung; Veranstaltungen müssen die Mindestanforderungen der Umweltzeichen-Kriterien für Green Events erfüllen. Neue Akzente werden auch durch Klimaschutz-Vorgaben für Dienstreisen und Mobilitätsmanagement gesetzt. Umgestellt soll auch im öffentlichen Fuhrpark werden – nämlich von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren (künftig nur mehr in begründeten Ausnahmefällen) auf emissionsfrei betriebene Fahrzeuge. Ein weiteres Novum ist das Angebot eines täglichen Klimatellers in Österreichs öffentlichen Küchen. Durch die Umstellung vom Billigstbieter- auf das Bestbieterprinzip bei der Vergabe öffentlicher Aufträge will die Bundesregierung sicherstellen, dass sich innovationsfreundliche und nachhaltige Beschaffung langfristig durchsetzen.
Von großer Wichtigkeit ist auch die Umsetzung einer „Green Finance Agenda“. Dahinter versteckt sich das Ziel, dass Privatpersonen und Unternehmer*innen verstärkt im Bereich Klimaschutz und Energie investieren sollen. Als Anreiz dafür soll die „Bürger-Stiftung Klimaschutz“ dienen, die sich vor allem an private Investoren richtet. Im Raum steht außerdem eine KEST-Befreiung für ökologische Investitionen, wofür noch ein Kriterien-Set ausgearbeitet werden muss. Start-Ups und KMUs soll die Investition in innovative, klimafreundliche Maßnahmen insofern schmackhaft werden, als die Vergaben von („grünen“) Krediten in diesem Fall durch den „Green Supporting Factor“ erleichtert werden soll. Auch die Bundesregierung selbst hat sich zum Ziel gesetzt, öffentliche Mittel in nachhaltige und ökologische Anlagenformen zu investieren. Damit es ihr die Länder und Gemeinden gleichtun, soll es in Zukunft die Möglichkeit zur Beratung hinsichtlich der Investition in ökologische und nachhaltige Infrastrukturprojekte geben.
Auch beim Bauen und Sanieren von Gebäuden soll sich künftig einiges ändern. Oberstes Ziel ist dabei die Erhöhung der Sanierungsquote. Das soll u.a. durch eine Förderungsoffensive oder durch die Weiterentwicklung der Wohnbauförderung (Berücksichtigung ökologischer Kriterien) beschleunigt werden. Damit einhergehen soll eine Steigerung der Sanierungsqualität sowie eine Forcierung des Holzbaus und ökologischer Baumaterialeien.
Fossilen Energieträgern wird im Regierungsprogramm der Kampf angesagt: Auf Heizöl, Kohle und fossiles Gas soll weitestgehend verzichtet werden, um die österreichischen Klimaschutzziele bis 2040 erreichen zu können. Dafür sollen u.a. Nah- und Fernwärme forciert und Wärmestrategien erstellt werden. Stattdessen wird auf erneuerbare Energieträger gesetzt: Der Anteil an erneuerbaren Energieträgern am nationalen Gesamtverbrauch soll bis 2030 auf 100 % gesteigert werden. Zu diesem Zweck wird auch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) auf Schiene gebracht.
Weitere Punkte im Klimakapitel des Regierungsübereinkommens sind die Weiterentwicklung des Energieffizienzgesetzes, die Gewährleistung von Versorgungs- und Netzsicherheit, die Beibehaltung der österreichischen Anti-Atomkraftlinie und der Einsatz gegen Kohlekraft. Die viel zitierte „Energiewende“ soll auch durch eine Technologieoffensive, Digitalisierung und Innovation herbeigeführt werden.
So umfangreich das Regierungsprogramm mit seinen rund 300 Seiten scheinen mag, ist dennoch fraglich, ob die angeführten Maßnahmen ausreichen, um dem Klimawandel entgegenzusteuern. Immerhin ist sich die wissenschaftliche Community weitgehend einig, dass es für die Erreichung des Pariser 1,5°-Ziels Technologien bedarf, die das emittierte CO2 wieder aus der Atmosphäre holen können. Derartige Technologien wie CCS oder BECCS sind in Österreich allerdings verboten. Argumentiert wurde bei der der letzten Verlängerung dieses Verbots (2011) mit der Gefährlichkeit und der Nicht-Ausgereiftheit dieser Technologien. Paradox erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Lagerung von Erdgas, wie sie hierzulande beispielsweise in Niederösterreich betrieben wird, viel gefährlicher ist. Unklar ist in vielen Fällen auch die Finanzierung all der erwähnten Maßnahmen, Förderungen und dergleichen. Der im Wahlkampf häufig strapazierte Terminus der CO2-Steuer hat sich nicht aufs Regierungsprogramm niedergeschlagen. Das – oder die stärkere Besteuerung des Kerosins – wäre jedoche eine effektive Finanzierungsoption für all die anderen geplanten, kostenintensiven Maßnahmen. Unsere Aufgabe als Zivilgesellschaft ist es nun, die neue Regierung an ihren Taten zu messen und sie für ihre Arbeit bei der nächsten Wahl zu „beurteilen“. Man darf also gespannt sein, was das Jahr 2020 im Bereich Klimaschutz bringen wird!
Auch im Bereich Verkehr bzw. Infrastruktur ist einiges geplant – erfahrt mehr darüber im nächsten Blogbeitrag!