Die Nordkette: Weltbekanntes Freeride-Gebiet und internationaler Ausflugsberg mitten in der Stadt
Interview per Email am 15.02.2021; Fragen und Bearbeitung durch Rosalie Birkle, Markus Bachofner und Verena Engel
Im Stadtzentrum Innsbrucks tummeln sich einige Personen in voller Skimontur. Mit guter Laune marschieren sie, bepackt mit Ski, Rucksack und Stöcken, durch die Altstadt. Wohin die wohl wollen? Sie laufen in Richtung eines futuristischen Gebäudes der Architektin Zaha Hadid, das an eisige Gletscherformen erinnert. Die Nähe zum Berg, den die Innsbrucker Nordkettenbahnen mit der Innenstadt verbinden, wird auch durch die Formensprache schon im Zentrum deutlich. Die Skibegeisterten wollen mit den Bahnen also zu ihrem nächsten alpinen Winterabenteuer zur Seegrube aufbrechen. Kurz darauf sind sie schon in einer Kabine der neuen Standseilbahn verschwunden und fahren nach oben. Doch wer denkt, dass die Bahnen nur für BergsportlerInnen gedacht sind, der irrt. Thomas Schroll, Geschäftsführer der Innsbrucker Nordkettenbahnen, hat uns über die Diversität und Rolle der Nordkettenbahnen für die Stadt Innsbruck aufgeklärt.
Die Nordkettenbahnen haben eine ihrer Besonderheiten darin, dass sie gleichzeitig Skilift für weltbekannte Freerides, Sightseeing- und Architekturhighlight sowie wichtiger Teil der Stadtidentität, Beförderung zur höchsten Sonnenterrasse Innsbrucks oder außergewöhnlichen Sportarten wie Figln, sowie Teil der öffentlichen Infrastruktur sind. Wie bekommt man das alles unter einen Hut?
Das ist tatsächlich eine sehr herausfordernde Aufgabe. Dennoch ist das einzigartige Angebot auch das, was uns motiviert und Spaß macht. Es gibt wohl keinen vergleichbaren Berg!
Ein weiterer zentraler Aspekt der Bahnen ist die Ausgangslage mitten im Stadtzentrum. Welche Chancen und Möglichkeiten geben sich dadurch für euch?
Einerseits ist die Anbindung an den touristischen Kern der Stadt ein großer Vorteil. Mit dem Slogan „alpin-urban“ aus dem Markenkern der Stadt Innsbruck zeigt sich die Bedeutung dieser Anbindung. Andererseits können auch die BewohnerInnen Innsbrucks die Bahn ohne Auto gut erreichen. Die Nordkette ist dadurch integrativer Bestandteil des Naherholungsgebiets der Innsbrucker. Spazierengehen auf Almwiesen, Wandern im Schrofengelände, Mountainbiken auf steilen Trails oder Sport- und Alpinklettern kann man somit innerhalb einer halben Stunde von der Stadt aus.
Die Hungerburgbahn ist Teil des Öffentlichen Nahverkehrs in Innsbruck. Was bedeutet das für euch? Welche Verpflichtungen habt ihr dadurch in verkehrspolitischer Hinsicht und inwiefern seid ihr in das planerische Stadtgeschehen eingebunden?
Einerseits hat die Bahn durch die prominente Lage in der Stadt einen starken Einfluss auf das Stadtbild. So war etwa die Beauftragung von Zaha Hadid für die Planung der Stationen der Hungerburgbahn eine wesentliche Entscheidung, die zusammen mit der Stadt getroffen wurde. Die Bergbahn muss eben nicht nur ins Stadtbild passen, sondern vielmehr einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das hat auch in anderen Städten und Maßstäben wie beispielsweise Bilbao die Stadtentwicklung maßgeblich vorangetrieben. Auf der anderen Seite verbindet die Hungerburgbahn die Innenstadt mit dem Stadtteil Hungerburg. Das bedeutet, dass die Bahn Nahverkehrsmittel bleibt und die Anbindung wesentlich verbessert wurde.
Aufgrund eurer Lage in der Stadt seid ihr mehr als andere Skigebiete mit der Frage des verfügbaren Platzangebotes konfrontiert. Das wirkt sich auch auf die Parkplatzsituation aus – das mögliche Angebot ist sehr begrenzt. Wie geht ihr damit um?
Das ist wahrlich eine große Herausforderung. Die meisten Skigäste sind es gewohnt, mit dem Auto zum Skifahren anzureisen. Die Bahnen oben an der Hungerburg haben lediglich 70 (!!!) Parkplätze zur Verfügung. Deshalb versuchen wir, die Anreise mit dem Fahrrad oder dem Öffentlichen Verkehr zu fördern. Dazu gehört, dass die Parkplätze kostenpflichtig sind, die Anreise mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln stets forciert wird, und für Radfahrende an der Station Löwenhaus der Parkplatz für Fahrräder entsprechend erweitert wurde. Dort gibt es auch eine Bikewash-Station, sowie Öffentliche Toiletten. Die Bereitstellung von zusätzlichen Services der Anreisealternativen Bahn und Rad spielt also ebenfalls eine Rolle, um sie attraktiver zu machen. Gleichzeitig wertet das wiederum die Stadtgestaltung auf.
Worin seht ihr zukünftig die größten Herausforderungen für euren Betrieb?
Die Vielfältigkeit des Angebots ist einerseits eine große Chance, bringt auf der anderen Seite aber auch Spannungen innerhalb der Nutzergruppen. Beispielsweise ist das der Fall bei Bikern und Wanderern, die dieselben Trails benutzen wollen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Innsbruck muss hier die Akzeptanz untereinander forciert werden und an das gegenseitige Verständnis aller Nutzergruppen und Rücksichtnahme untereinander appelliert werden. Die gemeinsame, nachhaltige und versöhnliche Nutzung der Nordkette steht im Vordergrund.
Der Alpenraum und Alpintourismus ändern sich stetig. Auswirkungen von Klima und der Pandemie sind besonders wahrnehmbar. Welche Veränderungen wünscht ihr euch für die Zukunft?
Wir wünschen uns noch viele schneereiche Winter. Schließlich sind wir eines der letzten Naturschneegebiete in der näheren Umgebung. Das kommt in erster Linie natürlich der Umwelt zugute. Wir haben keine Schneekanonen und keinen Speicherteich. Daher verbrauchen wir weder Wasser noch Strom für künstliche Beschneiung. Andererseits sind wir dadurch ausschließlich auf die Gunst von Frau Holle angewiesen. Aber wer fährt nicht lieber auf Naturschnee, als auf eisigen Kunstschnee-Pisten?