Eine utopische Zukunftsmusik
Im Rahmen meiner vorwissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel „Nachhaltige Entwicklung im österreichischen Alpentourismus: Utopie oder Zukunftsmusik“ habe ich mich selbst auf eine Reise gemacht. Eine Reise in die Vergangenheit, um die Hintergründe zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, dass Tourismus zu einem so großen Wirtschaftsfaktor angewachsen ist. Auch wortwörtlich habe ich eine Reise gemacht, zum Weissensee in Kärnten, weil dort seit einigen Jahrzehnten schon nachhaltiger Tourismus gelebt und vermittelt wird und er dafür als Paradebeispiel dafür gilt, wie es funktionieren kann.
Was ist Tourismus?
Tourismus lässt sich folgendermaßen definieren: Man verlässt selbstbestimmt seine übliche Umgebung mit dem Vorhaben, nach einer gewissen Zeit wieder zurückzukehren. Dafür gibt es die verschiedensten Motive und Möglichkeiten, die sich im Laufe der Zeit stetig weiter verändern. . Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts haben vor allem religiöse Anlässe wie Kreuzzüge zum Reisen bewegt. Durch den technischen Fortschritt hat der frühe Tourismus an Komfort gewonnen und nach anfänglicher Exklusivität für den Adel unter anderem durch die industrielle Revolution auch die breite Masse erreicht. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs floriert die Tourismusbranche sowieso. Immer kürzere Ausflüge, die möglichst viele Interessen abdecken, finden sich als Fixpunkt im Leben von Reisenden ein. Das Streben nach mehr lässt den Massentourismus und dessen Anteil an der globalen Ungerechtigkeit wachsen.
Weltweit ist eine Bewegung ins Rollen gekommen, die vielfältige Folgen mit sich bringt. In Österreich hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem die Sparte des Skitourismus entwickelt. Zuerst hatte der Binnenstaat beinahe eine Monopolstellung, nach und nach wurde der Konkurrenzkampf mit den Nachbarländern stärker.
Auswirkungen des Tourismus
Die Folgen des heutigen Tourismus können in drei Kategorien zugeordnet werden. In wirtschaftlicher Hinsicht ist Tourismus ein Erfolgskonzept hinsichtlich dessen, dass er Arbeitsplätze schafft und viele Sparten abdeckt, wie zum Beispiel Beherbergung, Gastronomie und auch Freizeitattraktionen. Andererseits gibt es in diesem Gewerbe oft nur geringe Weiterbildungsmöglichkeiten und prekäre Arbeitsbedingungen.
Die gesellschaftlichen Einflüsse sind vielfältig: Positive Resultate können durch die Stärkung der Infrastruktur zutage treten, aber auch durch das Näherbringen von regionalen Traditionen an die Urlauber:innen. Zu beachten ist hier die Gefahr, dass die Kultur an den Tourismus angepasst wird und nicht umgekehrt. Durch die Entstehung von All-Inclusive-Resorts gerät die kulturelle Identität vielmals in Vergessenheit und eine Gleichschaltung von Destinationen ist zu beobachten.
Die Auswirkungen auf die Umwelt beinhalten hohen Energie- und Wasserverbrauch sowie die Verschmutzung der Luft und des Grundwassers. Das trägt zur Erderhitzung bei, die sich zeigt, indem Gletscher schmelzen und schwinden, weil es im Sommer deutlich weniger schneereiche Niederschläge mehr gibt. Urlaubsdestinationen verändern sich durch die Klimakrise und Ski-Resorts stellen vermehrt auf Wandertourismus um, wodurch sie Einnahmenverluste aus der Wintersaison im Sommer kompensieren können.
Die natürlichen Ökosysteme der Erde werden vom Tourismus beansprucht, können aber auch durch ihn präserviert werden, indem beispielsweise Naturschutzgebiete durch Eintrittspreise mitfinanziert werden. Um Tourismus nachhaltig zu gestalten, werden die negativen Effekte minimiert und der Fokus auf das Zusammenspiel von Ökonomie, Soziologie und Ökologie gelegt. Man ist auf lange Sicht auf eine intakte Umwelt angewiesen. Um Reisen zukunftstauglich zu gestalten, ist es notwendig, ebendiese Bereiche – Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt – aufeinander abzustimmen. Diese Balance definiert die Nachhaltigkeit. Der Sanfte Tourismus ist der radikale Kontrahent zum konventionellen Massentourismus, dazwischen gibt es viele Abstufungen. Es ist möglich, nachhaltigen Tourismus zu betreiben, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten.
Wie funktioniert nachhaltiger Tourismus?
Das Paradebeispiel schlechthin ist dafür der höchstgelegene See Kärntens: Der Weissensee lockt im Winter wie im Sommer Urlaubende an. Diese bekommen direkt eine Bewusstseins-Aufklärung mit auf den Weg: Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist unkompliziert, auch am See selbst verkehren 4 Linienschiffe, Motorboote sind seit den 1970er Jahren verboten. Reisende mit dem Auto zollen dem Naturpark Weissensee mit einer Parkgebühr Tribut. Allgemein geht ein Teil der Tourismuseinnahmen an die Landwirtschaft zurück, die nach Beschluss pestizidfrei betrieben wird. Es ist eine Symbiose, wie sie im Buche steht: Die Bereiche Tourismus, Gewerbe, Naturpark, Kultur und Freizeit sind eng verbunden und arbeiten Hand in Hand.
Das Wort zum Schluss
Conclusio davon, ob die Umsetzung des ganzheitlichen Tourismus nun realistisch ist: Auf allen Ebenen nicht, sämtliche konventionelle All-Inclusive-Ferienanlagen und Kreuzfahrtschiffkonzerne werden ihren Profit nicht für die Schadensbegrenzung zugunsten der Erde und allen Lebewesen eintauschen. Auf Mikro-Ebene gibt es allerdings Projekte, Beschlüsse und Bewegungen, die immer lauter, größer und erfolgreicher werden. Bewusstseinsbildung geschieht und erreicht mehr und mehr Menschen. Und das ist eine sehr nachhaltige Entwicklung!
Andrea Fischer (BORG Bad Radkersburg) erreichte mit ihrer Vorwissenschaftlichen Arbeit „Nachhaltige Entwicklung im österreichischen Alpentourismus: Utopie oder Zukunftsmusik“ Platz 2 beim diesjährigen POW Bildungsaward.
Headerfotos: Weissensee – (c) Andrea Fischer