Über Empowerment beim Shredden – Ein Interview mit POW-Athletin Rosina Friedel 

Skifahren ist in gewisser Weise ein Spiegel der Gesellschaft, das ist für uns bei POW nichts Neues, denn wir als aktive Wintersportler:innen und engagierte Klimaschützer:innen erleben es. Immer wenn wir versuchen, möglichst klimafreundlich zur Skitour oder ins nahegelegene Skigebiet zu kommen, übertragen wir Teile eines gesellschaftlichen Diskurses über den Klimawandel auf unser persönliches Leben. Wie viele Artikel dieses Blogs zeigen, wollen wir mit unserem Verhalten andere inspirieren und zeigen, wie wir nachhaltig Skifahren und Freeriden gehen können. Wir setzen uns als Skifahrer:innen für unsere Werte ein und sind dabei genauso Teilnehmer:innen wie auch Beobachter:innen gesellschaftlicher Entwicklung.

Da wir bei POW auch wissen, wie sehr Klimaschutz mit Gender-Ungleichheit zu tun hat und die Debatte um Geschlechtergleichheit neben dem Klimawandel zu den brennendsten Fragen unserer Zeit gehört, ist es für uns selbstverständlich, für einen inklusiven Wintersport einzustehen. Leider ist es nach wie vor so, dass Skifahren, vor allem Freeskiing, als privilegierter Männersport gilt. Eine Person, die aktiv dazu beiträgt, dies zu ändern,  ist die POW Athletin Rosina Friedel. Sie gewann jüngst den „Newschoolers Female Skier of the Year“-Award. Wie in unserem Interview deutlich wird, ist aber nicht nur das ein Grund dafür, sich ausführlich mit ihr über das Thema Skifahren und Frauen zu unterhalten.

Martin: Kurz und knapp: Wie kommst du zum Skifahren und vor allem zum Freeskiing?

Rosi: Bis ich 15 Jahre alt war, bin ich eigentlich meistens mit dem Snowboard unterwegs gewesen. Als in meinem Freundeskreis dann aber immer mehr Leute Skifahren angefangen haben, habe ich es auch ausprobiert. Ich stellte fest, dass es mir weniger Angst macht als Snowboarden und irgendwie mehr liegt, also bin ich dabei geblieben.

Rosi bei dem, was sie am liebsten macht. Skifahren.
© Ludwig Hagelstein

Martin: Hattest du damals Vorbilder? Falls ja, waren es eher Männer oder Frauen?

Rosi: Ich denke damals und auch heute orientiere ich mich zu einem großen Teil an den Freunden und den Menschen, mit denen ich Ski fahre, deshalb könnte man hier von Vorbildern sprechen. Große Vorbilder oder Hardcore-Fan von bestimmten Rider:innen war ich aber nie. Später inspirierten mich vor allem die Fahrer:innen, die viel Wert auf Style legen und ich so schon beim Zuschauen Lust bekomme, Skifahren zu gehen. Ich habe da aber nie Wert auf das Geschlecht gelegt.

Martin: Kannst du dich erinnern, wann du das erste Mal auf Girls-only Events gestoßen bist? Hat das etwas in dir ausgelöst?

Rosi: Als ich begann, wurde das “Parkfahren” gerade erst groß, es gab ein paar Events und hin und wieder Competitions. Das war noch die Zeit, bevor die FIS ins Freeskiing einstieg. Girls-only Events gab es damals nicht, da damals noch sehr wenige Mädels gefahren sind.

Das erste Girls-Event, an das ich mich erinnere, war ein Event von „Shred Unit“, dort wurden wir von anderen Mädels gecoacht. Ein anderes Event, an das ich gerne zurückdenke, fand im “Penkenpark” in Mayrhofen statt. Das Besondere dabei war, dass wir Mädels dort die Möglichkeit bekamen, Foto- und Videoaufnahmen zu machen und uns dabei untereinander vernetzen konnten.

Martin: Das erinnert mich an ein aktuelles Projekt, über das ich mit dir sprechen wollte, den “peanutbutter.club”. Worum geht es dabei?

Rosi: Ganz kurz zusammengefasst stellt der “peanutbutter.club” eine Community dar, in der sich FLINTA-Personen (Anm. d. Red.: Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) austauschen und zusammen “shredden” gehen können. So lernt man Gleichgesinnte kennen und kann neue Kontakte knüpfen. 

Genau darum geht’s beim Peanutbutter.Club, zusammen eine gute Zeit am Berg haben. – © Privat

Martin: Wann und von wem wurde das Projekt ins Leben gerufen?

Rosi: Ich wurde von einem ähnlichen Projekt, den „Boobiebrettler“, die das Ganze schon längere Zeit sehr erfolgreich in der Skateszene etablieren, inspiriert und habe deshalb den „peanutbutter.club“ gestartet. Momentan mache ich die organisatorischen Dinge noch alleine und meine Sponsoren unterstützen mich dabei. Um Hilfe bin ich natürlich immer froh.

Martin: Wie denkst du, wird das Projekt wahrgenommen? Habt ihr Zulauf?

Rosi: Ich habe das Gefühl, es kommt gut an und unsere gemeinsamen Sessions sind immer gut besucht. Im Herbst hatten wir außerdem ein Repair&Care Event bei SpurArt, in ihrer Skiwerkstatt konnten wir Frauen gemeinsam unsere Ski bereit für den Winter machen. Außerdem haben wir im Winter einen Lawinenkurs angeboten, um auch abseits vom Snowpark präsent zu sein. All diese Events waren gut besucht. Beim Lawinenkurs hat man gemerkt, dass das Thema Sicherheit beim Freeriden für viele Mädels eine große Rolle spielt.

Es gibt zwar eine kleine Stammcrew, aber wir sind immer offen für neue Gesichter! Gerade wenn man erst mit dem Fahren im Park angefangen hat, berichten viele davon, wie sehr die Gruppe dabei hilft, sich gegenseitig zu stärken und den Kopf frei zu bekommen.

Gemeinsame Saisonvorbereitung in der Skiwerkstatt.
 © Rosina Friedel

Martin: Neben dem “peanutbutter.club” hast du noch ein anderes Girls-only-Projekt ins Leben gerufen. Was genau steckt hinter “Bucket Clips”. Wie kam es zu der Idee?

Rosi: Ursprünglich hatten wir in Kooperation mit „Newschoolers“ ein anderes Filmprojekt geplant, allerdings kam leider etwas dazwischen. Durch die Inspiration des Snowboardfilms „Uninvited“, in dem ausschließlich Frauen zu sehen sind und der von Frauen produziert wurde, kamen wir auf die Idee, ein solches Projekt auch für Skifahrerinnen auf die Beine zu stellen. Leider gab es bis dahin noch keinen Independent Girls-only Skifilm und so sammelten wir Clips von uns und welche, die uns zugeschickt wurden, und wir schnitten einen Film daraus, in dem jedes Mädel seine eigene Plattform bekommt. Im Endeffekt war ich wirklich super zufrieden mit dem Endergebnis und fand die Einsendungen wirklich cool!

Martin: Warum denkst du, ist es wichtig, solche Projekte auch im Video-Format zu organisieren?

Rosi: Ich denke, es ist ein gutes Mittel, um die Vielfalt des Freeskiing zu zeigen. Als außenstehende Person könnte man vermuten, Frauen würden hauptsächlich an Competitions wie Weltcups oder Olympia teilnehmen. Tatsächlich sind die Wettkämpfe aber nur ein Teil der Szene, auch in anderen Bereichen, wie Urban Skiing oder Freeriden, gibt es Frauen, die es wirklich drauf haben und das sollte man auf jeden Fall zeigen. Die Videoform eignet sich dafür am besten.

Martin: Wie war es, die Clips zu sammeln und Mädels zu finden, die mitmachen?

Rosi: Wir haben dieses und letztes Jahr Mädels angeschrieben und gefragt, ob sie etwas schicken wollen und Filmaufnahmen von sich haben. Außerdem haben wir diesen Winter mit der Unterstützung von Newschoolers einen Open Call gestartet, das bedeutet, es wird einen zweiten Teil geben. An alle motivierten Mädels, die hier dabei sein wollen, schickt eure Clips an bucketclipsski@gmail.com.

Full House, bei der Premiere des Girls-Only Filmprojekts Bucket Clips in Innsbruck.
© Privat

Martin: Würdest du sagen, dein Geschlecht hat Auswirkungen auf deine Art, Ski zu fahren?

Rosi: Ich denke schon, dass es Auswirkungen auf mein Skifahren hat, da ich viel nachdenke. Mir erscheint es manchmal so, als würden sich Männer weniger über die Konsequenzen sorgen und das hat natürlich Folgen. Außerdem hat der weibliche Zyklus definitiv Auswirkungen auf unsere Emotionen und wie wir uns fühlen, was beim Skifahren eine große Rolle spielt.

Martin: Glaubst du, die gemeinsam erlebte Zeit und gelungene Bestärkung unter den Mädels hat auch Auswirkungen auf ihr Leben außerhalb des Skisports?

Rosi: Ich denke, das kommt darauf an, welche Erlebnisse man in der Gruppe sammelt. Wenn man tolle Momente teilt oder sich etwas Neues traut, dann hilft das auf jeden Fall. Ein gemeinschaftliches Hobby stärkt die Zusammengehörigkeit und dadurch kann auch das eigene Selbstbewusstsein stärker werden. Wenn man etwas tut, das einem Spaß macht, dann ist man besser gelaunt und zeigt diese positive Einstellung auch seiner Umwelt. Wenn es einem gut geht und man eine gute Zeit hat, wirkt sich das auf andere Menschen aus. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Erfolge im Sport auf jeden Fall eine Auswirkung auf mein Auftreten als Person haben. Auch wenn man Probleme hat, beispielsweise mit Druck oder Angst umzugehen, dann schafft die Gemeinsamkeit einen Rahmen, in dem man diese Sorgen teilen kann und man geht aus bestimmten Situationen gestärkt hervor.

Martin: Wie denkst du, würde der Skisport von einer geschlechtsgleicheren Verteilung profitieren?

Rosi: Ich denke schon, dass so etwas eine positive Auswirkung hätte. Es wäre für Frauen sicherlich leichter, in so einem männerdominierten Sport Fuß zu fassen. Außerdem merke ich schon, dass in Frauengruppen oft eine andere Stimmung herrscht, weil man sich gegenseitig mehr motiviert und bei anderen Frauen sieht, was sie können, ohne abgeschreckt zu sein. Ich denke aber auch Männer beeinflussen den Sport positiv und würde das nicht nur einem Geschlecht zuschreiben.

Martin: Du selbst hast ja gesagt, es ist schön zu sehen, dass man im Skisport nicht immer den krassesten Trick oder “fettesten” Sprung machen muss, um etwas zu erreichen, was ja der „Newschoolers Award“ auch zeigt. Was genau meinst du damit?

Rosi: Ich meinte damit, dass es schön ist, zu sehen, wenn sich der Einsatz für mich und in der Szene auszahlt. Ich denke, man kann auch damit erfolgreich sein, wenn man einfach kreativ Ski fährt und Dinge macht, die einem Spaß machen. Der Award ist gewissermaßen ein Beweis dafür, wie weit man kommen kann, wenn man sich selbst keinen Druck macht, immer noch weiter ans Limit zu gehen oder noch einen krasseren Filmpart abzuliefern, sondern auch ohne diesen Superlativen Menschen etwas geben zu können. Mir persönlich gibt es viel, diese Bestätigung von außen zu bekommen. Ich habe das Gefühl, etwas Richtiges zu tun, auch wenn es vielleicht nicht mit dem gesellschaftlichen “höher, weiter, krasser” vereinbar ist.

Martin: In vielen gesellschaftlichen Sphären gibt es ganz klar geschlechtsspezifische Kleiderordnungen, können Subkulturen wie Skaten oder Skifahren so etwas aufbrechen?

Rosi: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, es spielt für viele nach wie vor eine Rolle, auch beim Skifahren zu zeigen, dass man eine Frau ist, beispielsweise ist es Trend, Strähnen absichtlich nicht unter dem Helm zu verstecken. Ich denke, bezogen auf Mode gibt es nach wie vor einen Unterschied, wie sich Männer und Frauen kleiden. Man kann aber beobachten, dass Frauen-Skibekleidung oft sehr eng oder detailreich geschnitten ist, obwohl das im Snowpark nicht wirklich funktional ist und viele Mädels deshalb lieber Snowboard- oder Männer-Klamotten tragen.

Martin: Dank Engagements wie deinem tut sich einiges bei der Gleichberechtigung im Skisport, was wäre dein Wunsch für die Zukunft?

Rosi: Bezogen auf die Skiszene würde ich mir manchmal mehr Lockerheit wünschen und dass neben den Wettbewerben auch der kulturelle Teil wie Filmparts usw. mehr Beachtung bekommen. Im Snowboarden lässt sich ja erkennen, dass man auch erfolgreich sein kann, ohne Competitions zu fahren. Ich denke davon würden auch viele Frauen profitieren, leider geht es vielen so, dass sie sich entscheiden müssen, ob sie mit dem professionellen Skisport aufhören oder in ein offizielles Team eines Verbandes gehen und Contests fahren, weil sie sonst keinen finanziellen Support bekommen.

Titelbild © Privat

Author: Martin Svejkovsky