Wasserstoff – ein Gas für eine emissionsfreie Zukunft?

Wasserstoff ist der große Hoffnungsträger für eine klimaneutrale Zukunft. Das Gas könnte auch zu einer besseren Klimabilanz beim Reisen führen.  Das Gas hinterlässt beim Verbrennen praktisch keine Abgase und gilt als umweltfreundliche Alternative zu Kohle, Öl und Erdgas. Jedoch muss die Erzeugungsart von Wasserstoff unbedingt in die Klimabilanz einbezogen werden und Wasserstoff als Energieträger macht nicht in jedem Fall Sinn.  In diesem Beitrag haben wir einige interessante Insights für euch!

Die Vision vom Wasserstoff als Energieträger gibt es seit Langem. So bezeichnete der Schriftsteller Jules Verne bereits 1874 in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ Wasserstoff als „Kohle der Zukunft“. Das Gas, welches 14-mal leichter als Luft ist, kommt auf der Erde jedoch quasi nur in gebundener Form vor – zum Beispiel in Verbindung mit Sauerstoff als Wasser (H2O). Daneben sind auch Erdgase wie z. B. Methan und Erdöl wichtige wasserstoffhaltige Verbindungen auf der Erde. Um als Energieträger zu fungieren, muss Wasserstoff zunächst aus der Bindung gelöst werden. Dies geschieht beispielsweise mittels Elektrolyse, wobei Wasser mit Hilfe von elektrischem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Reagiert der Wasserstoff wieder mit Sauerstoff, kann es einen lauten Knall geben. Einige kennen dieses Verfahren, auch Knallgasprobe genannt, vielleicht aus dem Chemieunterricht. Dies ist auch das Funktionsprinzip einer Brennstoffzelle, in der diese Reaktion jedoch langsamer und kontrollierter abläuft. Das Erfreuliche ist, dass die Reaktion von Sauerstoff mit Wasserstoff emissionsfrei erfolgt. Es entstehen lediglich Wasser, Strom und Wärme. Jedoch benötigt man erst einmal Strom, um den Wasserstoff aus seiner Verbindung zu lösen. Und diese Energiequelle, aus der der Strom erzeugt wird, ist ganz entscheidend für die Klimabilanz von Wasserstoff als Energieträger. 

Wie sauber ist Wasserstoff? Es kommt auf die Art der Herstellung an!

Die Klimabilanz von Wasserstoff als Energieträger ist also von der Art der Herstellung abhängig. Für mehr Transparenz wurde eine „Wasserstoff-Farbenlehre“ entwickelt, die Auskunft über diese Herstellungsverfahren gibt.  

Wird der Wasserstoff mittels Elektrolyse hergestellt und stammt der Strom bei diesem energieintensiven Verfahren aus erneuerbaren Energiequellen, so spricht man von  grünem Wasserstoff. Hierbei  werden keine Treibhausgasemissionen freigesetzt, von diesen Elektrolyseanlagen gibt es jedoch bislang nur wenige und grüner Wasserstoff ist derzeit noch sehr teuer. Würde der Strom für die Elektrolyse aus einer Mischung erneuerbarer Energien und fossiler Brennstoffe (entsprechend dem heutigen europäischen Strommix) hergestellt werden, spricht man von gelbem Wasserstoff. Gegenwärtig wird jedoch hauptsächlich das Verfahren der Dampfreformierung zur Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas genutzt (grauer Wasserstoff). Dabei fallen sehr hohe Treibhausgasemissionen an. Pro gewonnener Tonne Wasserstoff entstehen gleichzeitig zehn Tonnen Kohlenstoffdioxid. Sofern das entstehende CO2 teilweise abgeschieden und dauerhaft gespeichert wird, spricht man von blauem Wasserstoff (engl. Carbon Capture and Storage, CCS).

Daneben wird auch das Verfahren der Methanpyrolyse erprobt, bei dem Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff zerlegt wird (türkiser Wasserstoff). Das klingt erst einmal super. Jedoch ist das im Erdgas enthaltene Methan ein hochaktives Treibhausgas, wobei bei der der Förderung und beim Transport immer eine gewisse Menge davon entweicht.

© appolinary_kalashnikova_unsplash // Nur wenn der Strom für die Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien kommt, ist er grün.

Wasserstoff Strategien: Wasserstoff als Hoffnungsträger für Klimaneutralität

Wasserstoff wird von der Politik, national wie international, als Hoffnungsträger für eine klimaneutrale Zukunft betrachtet. Die Europäische Kommission hat das Ziel, die EU zur Vorreiterin beim Einsatz von Wasserstoff als Energieträger zu machen. 2020 stellte sie ihre Wasserstoffstrategie vor («A hydrogen strategy for a climate-neutral Europe»), deren Ziel es ist, bis 2050 die Nutzung von Wasserstoff auf breiter Ebene möglich zu machen und hierfür einen Handlungsrahmen zu bieten. Mindestens 20 Länder weltweit haben bereits ein solches Strategiepaper veröffentlicht. Auch Österreich hat die Veröffentlichung einer Wasserstoffstrategie angekündigt. Die Strategien verbindet, trotz unterschiedlicher Schwerpunkte, die  generelle  Erkenntnis, dass Wasserstoff ein wesentliches und unverzichtbares Element für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens darstellt. Die meisten der Länder fokussieren sich auf den Ausbau von grünem Wasserstoff. Kurz- bis mittelfristig wird jedoch auch der Ausbau von blauem und türkisenem Wasserstoff in Erwägung gezogen. Im Folgenden werden einige Bereiche dargestellt, in denen Wasserstoff zu einer Reduktion von Treibhausgasen beitragen soll. 

Wasserstoff als langzeitiger Stromspeicher

Großes Potential wird Wasserstoff als Speicher von Sonnen- und Windenergie zugeschrieben. Sonne und Wind unterliegen naturgemäß großen Schwankungen, was mit dem Bedarf massivem Speicherbedarf einhergeht. Wasserstoff kann als Energiespeicher eingesetzt werden, wenn man Elektrolyseanlagen neben Solar- und Windkraftwerke stellt. Bei viel Sonnenschein und Wind läuft die Elektrolyse ab. Der entstandene Wasserstoff wird mittels eines Kompressors verdichtet und daraufhin gespeichert. Wird der Strom benötigt, wird die Elektrolyse rückgängig gemacht und der Strom kann in das Stromnetz eingespeist werden. Ein Nachteil von Wasserstoff im Gegenzug zu lithiumbasierten Batteriesystemen besteht im niedrigen Gesamtwirkungsgrad. In Bezug auf die Rückverstromung liegt dieser mit Stand der heutigen Technologie in der Regel deutlich unter 50%, während der Gesamtwirkungsgrad von lithiumbasierten Batteriesystemen bei über 90% liegen kann. Jedoch lässt sich im Gegensatz zur Batterie auch die Prozesswärme nutzen, wodurch sich der Wirkungsgrad stark verbessern könnte. Außerdem eignen sich Wasserstoffspeicher besser zur Langzeitspeicherung, da diese viel weniger Platz als Batterien benötigen. Derzeit gibt es einige Forschungsprojekte zu Wasserstoff als Energiespeicher, unter anderem arbeiten rund 160 WissenschafterInnen an der TU Graz an Methoden der Erzeugung, Speicherung, des Transports und der Nutzung von Wasserstoff in mobilen, stationären und industriellen Anwendungen.

© kumpan_electric_unsplash // Wasserstoff könnte in Zukunft eine Alternative zur Batterie sein.

Industrie – Wasserstoff als Möglichkeit für eine CO2-Reduktion in der Stahlindustrie 

Ein Zielsektor von Wasserstoff ist die Industrie, zum Beispiel die Stahlerzeugung. Bislang wird das Eisenoxid im Erz mit Kohle reduziert, was mit hohen CO2-Emissionen einhergeht. So entfallen circa sieben Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf die Stahlproduktion. Durch die sogenannte Direktreduktion mit Wasserstoff können die Emissionen bei der Eisenherstellung um bis zu 95% reduziert werden! 

Wasserstoff in Verkehr und Mobilität

Im Jahr 2019 beliefen sich die THG-Emissionen des Verkehrs in Österreich auf 24,0 Mio. Tonnen. Damit macht der Sektor Verkehr 30% aller Emissionen aus und ist damit nach dem Sektor „Energie und Industrie“ der zweitgrößte THG-Emittent in Österreich. Damit eine schrittweise Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 gelingt, muss unbedingt in Alternativen zu fossilen Brennstoffen investiert werden. Die Wasserstoff Brennstoffzelle ist hier eine entscheidende alternative Antriebstechnologie. 

Brennstoffzelle im PKW 

Das Brennstoffzellenauto steht in direkter Konkurrenz zu Elektroautos. Brennstoffzellenantriebe zählen, wie der Elektroantrieb, zu den alternativen Antriebstechnologien. Wasserstoff hat jedoch auch als Treibstoff eine niedrigere Energieeffizienz als eine direkte Elektrifizierung. Der Wirkungsgrad eines Elektroautos liegt bei etwa 70%, der eines Wasserstoffautos bei etwa 30%. Bei den Wasserstoffautos muss eben zuerst Wasserstoff hergestellt, transportiert und getankt werden, der dann in der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt wird. Unter anderem aufgrund dieser Umwandlungsverluste ist Wasserstoff teurer als Strom. Außerdem ist die Ladeinfrastruktur für Elektroautos bereits viel stärker ausgebaut als die Infrastruktur von Wasserstoffautos. Die Kosten für eine Wasserstofftankstelle belaufen sich etwa derzeit auf eine Million Euro. Dies führt dazu, dass von Wasserstoffautos viel geringere Stückzahlen produziert werden – was sie aufgrund der fehlenden Skaleneffekte auch wieder teurer macht.  Die meisten ExpertInnen prognostizieren daher, dass sich im Bereich des PKWs elektrifizierte Fahrzeuge langfristig durchsetzen werden.

Brennstoffzelle bei LKWs, Bussen und Zügen 

Wiegt jedoch ein Fahrzeug mehrere Tonnen, sind die Batterien für den Antrieb zu groß und schwer. Hier kann Wasserstoff als Treibstoff sinnvoll sein, also bei Bussen oder LKWs. Außerdem kann er für Züge Sinn machen, bei denen der Ausbau von Oberleitungen nicht infrage kommt. Die ÖBB hat die Wasserstofftechnologie auf der Schiene geprüft.
Der Testzug „Coradia iLint“ der französischen Firma Alstom war in einer rund 10-wöchigen Testphase im Fahrgastbetrieb auf der Aspangbahn bzw. Thermenbahn in Wien und Niederösterreich Ende 2020 unterwegs. Das Ziel war hierbei, Erfahrungen in technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht mit der alternativen Antriebstechnologie zu sammeln. Wasserstoff-Züge kommen aufgrund der fehlenden Oberleitungen vor allem auf Nebenstrecken in frage, also gerade im Regionalverkehr. In Zukunft könntet ihr also euren Ausflug in die Berge in einem Wasserstoffzug verbringen.

(c)Florian Kropshofer_Pixabay // Der Testzug „Coradia iLint“ war im 10-wöchigen Testbetrieb in Österreich unterwegs.

Synthetische Kraftstoffe als sinnvolle Übergangslösung?

Eine weitere Antriebstechnologie stellen synthetischen Kraftstoffe dar, für deren Herstellung ebenfalls Wasserstoff benötigt wird. Unter synthetischen Kraftstoffen – auch E-Fuels genannt – versteht man Treibstoffe für Benzin- oder Dieselmotoren, die durch ein chemisches Verfahren hergestellt werden. Konventionelle Kraftstoffe werden hingegen meist durch Trennung des Rohöls in einzelne Fraktionen hergestellt. E-Fuels sind im Gegensatz zu konventionellen Kraftstoffen klimaneutral, wenn der Strom für alle Prozessschritte der Erzeugung aus erneuerbaren Energien stammt. Für die Herstellung werden CO2 und Wasserstoff benötigt. Das Kohlendioxid kann zum Beispiel als Abfallprodukt aus anderen industriellen Prozessen stammen oder aus der Umgebungsluft extrahiert werden. Die Herstellung erfolgt derzeit noch in geringen Mengen, etwa in Forschungs- und Pilotprojekten beispielsweise im Zuge des deutschen Kopernikus-Projekts Power-to-X.
Der Wirkungsgrad von E-Fuels ist mit derzeit 15% jedoch noch geringer als von Wasserstoff als direktem Treibstoff. Man benötigt also die fünffache Menge an Energie, um mit E-Fuels die gleiche Strecke wie mit einem E-Auto zurückzulegen. Daher macht diese Antriebstechnologie derzeit für den PKW und selbst für Busse und Züge wenig Sinn. Flugzeuge, Schiffe und auch LKW werden jedoch zumindest mittelfristig nicht ohne Diesel- und Benzinmotoren  auskommen, auch wegen der hohen Investitionskosten bei einer Umstellung auf alternative Antriebsformen. Hier stellen E-Fuels eine sinnvolle Lösung dar.  

Die Mischung macht‘s

Wasserstoff kann also den Verkehr in einigen Bereichen nachhaltiger machen, sollte jedoch sinnvoll und sparsam eingesetzt werden. So sieht beispielsweise der „Mobilitäts Masterplan 2030 für Österreich“ unterschiedliche Antriebstechnologien für verschiedene Anwendungsbereiche vor – abhängig von der Strecke, des Effizienzgrades sowie des Gewicht des Fahrzeugs. 

Für eine erfolgreiche Mobilitäts- und Verkehrswende braucht es jedoch neben technologischen Innovationen z.B. im Bereich Wasserstoff auch neue Verkehrskonzepte, regulatorische Maßnahmen und einen kulturellen Wandel. Verhaltensänderungen wie Vermeidung und Verlagerung in Bezug auf Mobilität und Verkehr werden also auch trotz technischem Fortschritt nicht ausbleiben. 

(c) BMK
(c) BMK

Empfehlungen von Wissenschaft an Politik 

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein wissenschaftliches, politisch unabhängiges Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung, spricht klare Empfehlungen in Verbindung mit Wasserstoff aus. Diese sind an das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens gekoppelt sind. Die Stellungnahme beinhaltet zum Beispiel: 

  • Blauer und türkiser Wasserstoff sollten nicht staatlich gefördert werden – auch nicht übergangsweise. Die beiden Herstellungsarten bergen die Gefahr, dass zu lange an fossilen Infrastrukturen festgehalten wird.
  • Der SRU spricht sich für die Förderung von grünem Wasserstoff aus. Dieser muss mit einem Ausbau von zusätzlichen Erzeugungskapazitäten an erneuerbaren Energien einhergehen. 
  • Derzeit ist die Produktion von grünem Wasserstoff noch teurer als die von blauem Wasserstoff. Die Potenziale für Kostendegressionen sind aber bei grünem Wasserstoff höher als bei blauem. Für einen beschleunigten Ausbau von grünem Wasserstoff müssen richtige politische Anreize gesetzt werden. 
  • Die Entwicklung und Etablierung von ambitionierten und überprüfbaren Herkunfts- und Nachhaltigkeitsstandards für Wasserstoff einsetzen. Flächen-, Rohstoff- und Wasserverbrauch sowie soziale Belange in der gesamten Lieferkette müssen berücksichtigt werden.
  • Viele Anbieter von Erdgas werben damit, dass die Erdgasinfrastruktur direkt für Wasserstoff verwendet werden kann. Bestehende Erdgaspipelines für den Transport von reinem Wasserstoff umzubauen, ist jedoch mit technischen Herausforderungen verbunden. Auch Wasserstoff darf kein Grund für weitere Investitionen in die bereits großzügig dimensionierte Erdgasinfrastruktur sein. 

Fazit: Wasserstoff muss effizient erzeugt und klug eingesetzt werden

Wasserstoff kann langfristig zu einer Reduktion der Treibhausgase beitragen, jedoch ist es noch ein langer Weg dorthin. Die Umwandlungsverluste sind relativ hoch und die Wasserstoffherstellung ist heutzutage noch mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden (grauer Wasserstoff). Grüner Wasserstoff wird heute nur im sehr kleinen Ausmaß in Pilotprojekten produziert und wird auch nach Markteinführung noch mit hohen Kosten verbunden sein. Für eine breite Verwendung von grünem Wasserstoff braucht es noch einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien. Damit eine erfolgreiche Transformation zur Klimaneutralität mittels Wasserstoff gelingt, sollte die Politik die Empfehlungen und Anmerkungen der Wissenschaft ernst nehmen und kluge Entscheidungen für den Klimaschutz treffen. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, braucht es neben technischen Innovationen auch unbedingt Verhaltensänderungen zum Beispiel im Verkehr, die Vermeidung und Verlagerungen beinhalten. Aus wissenschaftlichen Analysen Maßnahmen gesetzt werden. Durch eine deutlich schnellere Reduktion der Treibhausgase fahren wir langfristig also in jedem Fall besser. Denkt an eure Zukunft und unterschreibt deswegen jetzt diesen offenen Brief von POW an die österreichische Bundesregierung für ein ambitionierteres Klimaschutzgesetz! Als Unternehmen oder eingetragener Verein habt ihr die Möglichkeit euch sofort zu beteiligen. Unterschreibt den offenen Brief von POW an die österreichische Bundesregierung für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz. 

Quellen: 

Headerbild: © fetemefuentes_unsplash

Author: Sabrina Huber