Werden unsere Winter tatsächlich schneeärmer? Teil 1
Egal ob ein Winter schneereich oder schneearm ist, der Vergleich zu ‚den Wintern von früher‘ wird wohl von jedem gezogen. Unser Klima, und somit unsere Winter, verändern sich durch den Klimawandel, das ist klar. Doch anders als das bei der durch den Klimawandel ansteigenden Lufttemperatur der Fall ist, können Veränderungen des flüssigen (Regen) und festen (Schnee und Hagel) Niederschlags nicht so einfach nachgewiesen werden. Das und wie sich die Schneesituation der österreichischen Winter in den letzten Jahrzehnten durch den Klimawandel jedoch tatsächlich verändert hat, kann aus den meteorologischen Messreihen der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) erarbeitet werden.
Um Änderungen des Klimas deutlich zu interpretieren, braucht es lange, durchgehende Messreihen. In Österreich ist für die Messung sowie Bearbeitung und Interpretation von Klimaelementen die ZAMG zuständig. Sie arbeitet mit Klimadaten, die bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückreichen, und erarbeitet daraus langfristige Änderungen des Klimas, auf Basis derer auch zukünftige Klimatrends modelliert werden.
Es ist allseits bekannt, dass der Klimawandel zu einem weltweiten Ansteigen der Lufttemperatur führt. Die Frage, wie sich das auf den Niederschlag, insbesondere auf den festen Niederschlag in Form von Schnee, auswirkt, ist jedoch nicht so einfach zu beantworten. Die Annahme, dass durch die klimawandelbedingte Erhöhung der Lufttemperatur auch die Verdunstungsrate zunimmt, was folglich zu mehr Niederschlag führt, stimmt zwar global, regional kommt es dabei aber zu zahlreichen Abweichungen. Niederschlag ist im Vergleich zur Lufttemperatur ein wesentlich schwieriger zu messendes Klimaelement. Deshalb können Fragen wie etwa, wohin diese zusätzlichen Wassermassen, die durch die zunehmende Verdunstungsrate entstehen, transportiert werden, nicht so einfach beantwortet werden. Besonders die topographischen Gegebenheiten, welche in Österreich sehr vielseitig sind, spielen in der räumlichen und zeitlichen Verteilung von Niederschlag eine wichtige Rolle. Die Alpen sind für das Wettergeschehen, vor allem für die Niederschlagsverteilung, von Österreich entscheidend. So gibt es in Österreich niederschlagstechnisch große Unterschiede zwischen Gebieten nördlich oder südlich des Alpenhauptkammes sowie direkt in den Alpen oder außerhalb der Alpen. Etwa die sogenannten Nordstaulagen, Gebiete nördlich des Alpenhauptkammes wo sich feuchte Luftmassen aus dem Norden an der Gebirgsbarriere der Alpen stauen, dann aufsteigen und sich dort in weiterer Folge ausregnen oder –schneien, weisen hohe Niederschlagssummen auf. Die Nördlichen Kalkalpen liegen direkt in diesem Nordstau, bekannte Gebiete sind hier das Salzkammergut sowie die Arlbergregion. Ziehen diese Luftmassen aus dem Norden, nachdem sie sich entlang des Alpenhauptkammes entleert haben, weiter nach Süden ins Innere der Alpen, kommt dort wesentlich weniger Feuchtigkeit und somit Niederschlag an und es kommt zu sogenannten inneralpine Trockentäler. Die Ötztaler Alpen sind hier ein bekanntes Beispiel.
Weiters beeinflussen auch globale Wetterlagen, deren Zugbahnen und Häufigkeit zeitlich variabel sind, wie etwa das diesjährige El-Niña Ereignis, die Niederschlagsverteilung und -häufigkeit.
Historische Veränderungen des Niederschlags in Österreich
Niederschlagsdaten für den Alpenraum und Österreich existieren bis 1800 zurück. Anhand der Jahressummen des Niederschlags kann aus diesen Daten entnommen werden, dass die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts im Alpenbogen relativ niederschlagsreich war. Darauf sind auch die zahlreichen Gletschervorstöße dieses Zeitraumes zurückzuführen. Das folgende Jahrzehnt, die 1860er, gilt als die trockenste Phase der Messgeschichte. Als Gegenstück zu den in den Jahren davor vorstoßenden Gletschern war in diesem Jahrzehnt der Neusiedlersee einige Jahre lang komplett ausgetrocknet. Darauf folgten Jahrzehnte ohne ausgeprägte Niederschlagsschwankungen.
Sieht man sich die Niederschlagsveränderungen aber im regionalen Kontext an, zeigen sich deutlich die topographischen Unterschiede Österreichs. Die zuvor erwähnte globale Niederschlagszunahme lässt sich nämlich nur für manche Regionen Österreichs bestätigen, in anderen zeigen sich sogar gegenläufige Trends. Seit 1858 nimmt im Westen Österreichs (Vorarlberg und Nordtirol) der Niederschlag zu. Im Südosten (Unterkärnten, West- und Oststeiermark, Südburgenland) hingegen wird in den letzten 200 Jahren eine Abnahme gemessen. Die Niederschlagszu- bzw. -abnahmen im Rest des Landes sind in diesem Zeitraum weniger auffällig. So herrscht in Nordösterreich (Flachgau, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Nordburgenland) ein schwach zunehmender Trend, in den inneralpinen Gebieten (Salzburger Gebirgsgaue, Obersteiermark, Osttirol, Oberkärnten) ist kaum eine Änderung der Niederschläge zu erkennen.
Dies bestätigt die wichtige Rolle der Alpen als Wetterscheide Österreichs und verdeutlicht, dass der globale Trend der Niederschlagszunahmen nicht uneingeschränkt für ganz Österreich übernommen werden kann. Dieses Ergebnis gilt auch, wenn die Niederschlagssummen des Winter- und Sommerhalbjahres separat betrachtet werden. Nur in Südostösterreich zeigen sich deutliche jahreszeitliche Unterschiede, so können hier im Winterhalbjahr stärkere Abnahmen nachgewiesen werden. In West- und Nordösterreich ist eher das Gegenteil der Fall: Hier weisen die Langzeitmessungen nach, dass der Großteil des Niederschlags im Winterhalbjahr fällt.
Diese Ergebnisse aus fast 200 Jahren meteorologischer Messungen verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass nicht von einem extremen Jahr auf langfristige Veränderungen geschlossen wird. Meteorologische Veränderungen durch den Klimawandel werden wissenschaftlich anhand von langfristigen Trends dargestellt. Diese weisen zwar einen Schwankungsbereich auf, doch bewegt sich dieser meist im 10 %-Bereich. Im Vergleich dazu können Einzeljahre zwischen weniger als 60 % und mehr als 140 % Niederschlag schwanken.