Zweitwohnsitze – ein heikles Thema
Zweitwohnsitze – für die einen Segen, für die anderen Fluch. Ein kurzer Abriss über das durchaus umstrittene Thema, der die historischen und regionalen Entwicklungen erläutert, die Perspektiven von Bewohner:innen und Gemeinden beleuchtet sowie Fragen über das “Recht” des Besitzes eines solchen aufwirft.
Mit der Erschließung der ersten Skigebiete und dem zunehmenden Wirtschaftswachstum wurde Tourismus ein massentaugliches Konzept. In dieser Zeit entstanden die ersten Ferienhäuser und Appartementgebäude in diesen landschaftlich und infrastrukturell attraktiven Gemeinden. Der Besitz einer eigenen Immobilie in einem Ferienort wurde immer populärer. Heute sind fast ein Viertel des Gesamtwohnungsbestands in den Alpen Zweitwohnsitze (Wytrzens 2022).
Aber was genau bedeuten die Begriffe Nebenwohnsitz, Zweitwohnsitz und Freizeitwohnsitz eigentlich?
Die Begriffe Nebenwohnsitz und Zweitwohnsitz sind nicht eindeutig definiert und werden austauschbar verwendet. Wie aus den Wörtern schon hervorgeht, handelt es sich dabei um etwas Zusätzliches und nichts Dauerhaftes. Ein Wohnsitz, welcher für Ausbildung- und Berufszwecke zeitweise verwendet wird. Zweitwohnsitze werden in den Definitionen öfter in Zusammenhang mit den Begriffen Erholungszweck, Wochenende, Urlaub etc. gebracht (Kaudelka 2021).
Vereinfacht gesagt dienen diese nicht der Befriedigung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses, denn der Lebensmittelpunkt befindet sich an einem anderen Ort. Sie dienen nur zum Aufenthalt zu Urlaubszwecken und zur einstweiligen Erholung (§ 13 Tiroler Raumordnungsgesetz). Es gibt diese Art von Wohnsitzen sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum. Der Fokus in diesem Beitrag liegt vor allem auf Freizeitwohnsitzen in den alpinen Regionen.
Was sind die Motive für den Besitz eines Freizeitwohnsitzes?
Der offensichtlichste Grund für den Besitz ist für viele der Wunsch nach einem Wochenendhaus, um die Freizeit z. B. in den Bergen oder am See verbringen zu können. Darüber hinaus sind die Motive für Zweitwohnsitze durchaus vielfältig: Kapitalanlagen (Investitionen und kurzfristige Vermietung) oder Altersvorsorge. Ein großer Teil der Nebenwohnsitze entsteht durch vom den Lebenswandel (Ausbildung/Arbeit) bedingte Umzüge in die Stadt und die damit verbundene Verschiebung des Lebensmittelpunkts. Durch Familie und Freunde im ländlichen Raum sind viele weiterhin in ihrer Heimat verwurzelt und pflegen einen sogenannten multilokalen Lebensstil (Leben an mehreren Orten) (Wytrzens 2022). In weiterer Folge wird dieser Wohnsitz dann oftmals vererbt.
Dieser multilokale Lebensstil sorgt für ein Verschwimmen von Grenzen, Zweitwohnsitzler:innen sind oft weder einheimisch noch fremd und keine richtigen Gäste im touristischen Sinne (Wytrzens 2022). Zunehmend verändern sich auch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, da durch die Pandemie die Möglichkeit von flexiblen Arbeitsverhältnissen zugenommen hat. Der damit verbundene Wandel der Arbeitswelt und auch die Veränderung der klimatischen Bedingungen haben die Nachfrage nach Freizeitwohnsitzen in den letzten Jahren nochmals verstärkt. Durch die städtischen Hitzepole könnte die Sommerfrische und die elitäre Flucht aufs Land in den nächsten Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit eine Renaissance erleben.
Unverblümt formuliert, wer die Möglichkeit hat, seine freie Zeit in einem Eigenheim an einem anderen Ort zu verbringen, stört sich wenig an dem Luxus. Mit einem zusätzlichen Wohnsitz steigt natürlich auch die Wohnfläche pro Kopf (welche den Großteil des Jahres ungenutzt ist), was wiederum Auswirkungen auf den Flächenverbrauch und den damit verbundenen Versiegelungsgrad hat.
Das wiederum bestätigt die bekannte These der Verstärkung der sozialen Ungerechtigkeit durch den Klimawandel (Umweltbundesamt o. J.). Sozioökonomisch bessergestellte Gesellschaftsgruppen tragen z. B. durch den erhöhten Flächenverbrauch stärker zum Klimawandel bei, leiden aber weniger unter den direkten Folgen des Klimawandels als schwächere Gruppen, da sie z. B. im Sommer die überhitzten Städte meiden und einstweilen den Zweitwohnsitz in den Bergen nutzen können.
Daraus leitet sich die Frage ab: Wer hat eigentlich ein Recht auf einen zusätzlichen Wohnsitz?
Rechtlich gesehen obliegt die Thematik verschiedenen Gesetzen, zum Beispiel dem Melde-, Raumordnungs- sowie Grundverkehrsgesetz. Zudem spielt die Niederlassungs- und Kapitalfreiheit innerhalb der Europäischen Union eine Rolle.
Rein rechtlich gesehen kann sich in Österreich jede:r österreichische Staatsbüger:in / EU-Bürger:in eine Zweitwohnsitzimmobilie (oder auch mehrere) zulegen, solange diese rechtmäßig als Nebenwohnsitz genutzt werden. Der Markt für Freizeitwohnsitze ist aufgrund des beschränkten Siedlungsraums in den Alpen heiß umkämpft. Da vor allem touristische Orte für Freizeitwohnsitze mit ohnehin schon begrenzten Wohnraum und starken Nutzungsdruck begehrt sind, wird das nötige Kleingeld für solch einen Wohnsitz benötigt. Die Menge an “rechtmäßig” zulässigen Nebenwohnsitzen ist meist schon erschöpft, dadurch werden immer wieder neue Schlupflöcher gesucht.
Arten von Zweitwohnsitzen
Die ersten Entwicklungen sind zumeist den Flächenwidmungen aus den 60ern/70ern zuzuschreiben. In dieser Zeit wurden zahlreiche Ferienimmobilien in der Widmungskategorie Zweitwohnsitze (Name variiert in den Bundesländern) in der Form von Appartementhäusern errichtet. In dieser Widmungskategorie ist der Aufenthalt auch an nur wenigen Tagen im Jahr rechtlich erlaubt.
Neuwidmungen in der Kategorie Zweitwohnsitze gibt es kaum noch, da zum einen die Obergrenzen in der Widmung erreicht wurden, z. B. gibt es in Salzburg die Beschränkung, dass der Anteil an Zweitwohnungen nur 16 % des gesamten Wohnbestandes einer Gemeinde betragen darf (§ 31 Salzburger Raumordnungsgesetz). Zum anderen wurde erkannt, dass Gemeinden in dieser Weise kein Geld verdienen und das Haushaltsbudget der Gemeinden stark durch die ungenutzte Infrastruktur belastet wird. Dennoch erhoffen sich einige, gerade touristisch weniger attraktive Ortschaften, dadurch das große Geld sowie die Belebung der Ortskerne und die Stärkung der heimischen Wirtschaft.
Da eben diese besagten Freizeitwohnsitzwidmungen kaum mehr umgesetzt werden, wird zunehmend mit Umgehungsstrategien gearbeitet. Beispielsweise sind in den Widmungskategorien Wohnen / Kerngebiet o. Ä. oftmals nur dauerhafte Wohnsitze möglich und es ist unzulässig, diese als Ferienwohnungen an wenigen Tagen im Jahr zu nutzen. Als Umgehung werden einfach vermeintliche Hauptwohnsitze in diesen dauerhaften Wohnobjekten angemeldet. Diese sind illegal, jedoch stellt sich die Überprüfung dieser falschen Wohnsitze aus diversen rechtlichen Aspekten als schwierig heraus. Einfache Methoden wie Kontrollen, ob der Rasen regelmäßig gemäht wird, ob die Post geleert wird oder ob abends Licht brennt, sollen Aufschluss darüber geben, ob eine Immobilie regelmäßig bewohnt ist oder nicht. Gemeinden, die gegen diese illegalen Wohnsitze vorgehen, engagieren Privatdetektive, die solche Dinge kontrollieren und Nachweise vor Gericht bringen sollen (Özkan 2018). Jedoch ist es äußerst schwer, handfeste Beweise vorzulegen, da die Erledigung solcher Tätigkeiten sich für die Besitzer:innen von Immobilien in dieser Preisklasse relativ einfach organisieren lässt.
Eine weitere Möglichkeit, Eigentum zu erwerben, ergibt sich durch die Errichtung von touristisch gewerblich genutzten Immobilien. Dabei werden Wohnungen oder Häuser errichtet, die den Großteil des Jahres gewerblich vermietet und nur für eine gewisse Anzahl an Tagen von den Eigentümer:innen selbst genutzt werden. Für die Vermietung wird Personal eingestellt und somit ist es ein Beherbergungsbetrieb. Nach Ablauf einer bestimmten Frist (ca. 10-15 Jahren) erlischt die Pflicht der gewerblichen Vermietung und das Objekt steht den Eigentümer:innen als Wohnsitz zur Verfügung. Dieses Modell nennt sich buy-to-let.
Für die oberste Gesellschaftsschicht gibt es natürlich noch andere Umgehungsmöglichkeiten von Widmungsfestlegungen. Zum Beispiel der Kauf eines eigenen Beherbergungsbetriebs, wo mehrere Mitarbeiter:innen angestellt werden und dann die Nächtigungspreise so hoch angesetzt werden, dass keine Gäste die Unterkunft buchen und diese somit vollständig für den Eigenbedarf zur Verfügung steht (Willim 2015). Das hat mit klassischen Zweitwohnsitzen nur wenig zu tun, die Auswirkungen auf die Immobilienpreise und die lokale Wertschöpfung vor Ort sind aber die gleichen.
Conlusio
Mit dieser kurzen und knappen Einführung ist es natürlich nicht so einfach, die vollständige Komplexität der einzelnen Modelle vollständig darzustellen. Hauptziel war es, einen Überblick der Materie zu geben. Wie bei allen Themen gibt es auch bei Zweitwohnsitzen zwei Seiten. Vor allem in den alpinen Tälern Salzburgs und Tirols, welche stark touristisch geprägt sind und wo Wohnraum ohnehin ein knappes Gut darstellt, überwiegen die Nachteile. Der Luxus einiger weniger geht durch die hohen Immobilienpreise auf die Kosten der heimischen Bevölkerung.
Hingegen können Zweitwohnsitze in weniger touristischen Regionen, die eine negative Wanderungsbilanz aufweisen, wie beispielsweise in den peripheren Tälern Kärntens und der Steiermark, Leerstand verringern. Zudem können die Zweitwohnsitze zum Erhalt von dörflichen Strukturen beitragen und als Chance für den ländlichen Raum genutzt werden.
Referenzen
- Gesetz vom 17. Dezember 2008 über die Raumordnung im Land Salzburg (Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 – ROG 2009)
- Kaudelka, Petra (2021) Zweitwohnsitz im alpinen Raum Grundlagenbericht in Masterprojekt Zweitwohnsitze im alpinen Raum, TU Wien.
- Kundmachung der Landesregierung vom 19. April 2022 über die Wiederverlautbarung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016
- Özkan, Duygu (2018) Zweitwohnsitze: Der Detektiv von Lech in die Presse
- Umweltbundesamt (ohne Jahr) Soziale Folgen des Klimawandels in Österreich
- Willim, Christian (2015) „Chalet N“ in Lech: Ein unmoralisches Angebot in Kurier
- Wytrzens, Hans Karl (2022) Soziokulturelle (Über-)Prägungen ländlicher Regionalentwicklung im Alpenraum durch Urbanisierung und Globalisierung in Alpine Landgesellschaften zwischen Urbanisierung und Globalisierung, Springer VS Wiesbaden, S. 3-31.
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Titelbild © Sophie Hofbauer